Eremitage: Kann Rubens einen Krieg vermeiden?

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Gemälde aus Sankt Petersburg und dem KHM paart die Ausstellung „Die Eremitage zu Gast in Wien“ – auf Wunsch von Gazprom und OMV. Feinsinnig ist sie trotzdem. Dass aber Putin die Schau eröffnen sollte, freute nicht alle.

Einträchtig scheinen sie nebeneinander die Besucher zu empfangen – Maria Theresia und Katharina die Große, die jahrelang zugleich herrschenden Kaiserinnen, weibliche Gesichter eines aufgeklärten Absolutismus. Die österreichische Landesmama in Witwentracht und die stolze Zarin vor dem Spiegel sieht man als Erstes, wenn man im zweiten Stock des Kunsthistorischen Museums den Ausstellungssaal betritt, wo „die Eremitage zu Gast“ ist in Wien.

Katharina, die Zarin gewordene preußische Prinzessin, die das Russische Reich erweiterte wie keiner ihrer Vorgänger (etwa um die Krim), sammelte Kunst so emsig wie Liebhaber. In ganz Europa erwarb sie Sammlungen, in knapp 30 Jahren fast 4000 Bilder – und gründete die Eremitage. Heute ist diese neben Louvre und Prado das weltgrößte Museum für europäische Kunst, mit über 2,5 Millionen Exponaten. Maria Theresia wiederum organisierte die habsburgischen Gemäldebestände neu, die später in das Kunsthistorische Museum wanderten.

Ein „Auftrag“ oder „Angebot“?

Je 14 Bilder aus beiden Museen sind nun hier gepaart, Verwandtschaften damit ausgestellt; aus Petersburg kommen Kostbarkeiten wie ein Selbstporträt von Van Dyck, ein Hieronymus-Gemälde von Sandro Botticelli oder Rembrandts „Alte Frau, auf einem Stuhl sitzend“. Dass die Ausstellung, die mit fast den gleichen Bildern ab Oktober in Petersburg zu sehen sein wird, „sehr clever“ sei, wird der Eremitage-Direktor Mikhail Piotrovsky am Eröffnungstag nicht müde zu betonen. Tatsächlich ist sie eine feinsinnige Sache, auch wenn sie nicht zuletzt als kultureller Aufputz für eine wirtschaftliche Geburtstagsfeier dient: Die Sponsoren Gazprom und die OMV feiern 50 Jahre Zusammenarbeit.

Über den „Auftrag“ von OMV-Chef Rainer Seele sei sie hoch erfreut gewesen, sagte KHM-Direktorin Sabine Haag am Dienstag bei der Pressekonferenz. Auf Nachfrage, ob andere Sponsoren diesem bedeutenden Museum auch einfach so Aufträge erteilen könnten, korrigierte sie sich: Man müsse wohl eher von einem „Angebot“ sprechen.

Dass dann die lang geplante Ausstellungseröffnung am Dienstagabend mit dem kurzfristig anberaumten Wien-Besuch des russischen Präsidenten zum streng abgesicherten Putin-Auftritt geraten würde, traf die Ausstellungsmacher im Kunsthistorischen Museum vor wenigen Wochen überraschend – und begeistert offensichtlich nicht alle. Zumal die Schau ja programmatisch Dialog, Austausch, Öffnung demonstrieren soll – in Zeiten angespannter bilateraler Beziehungen. „Von einer geschlossenen Veranstaltung kommen wir ja her“, meint Kurator Stefan Weppelmann. Für das Ausstellungskonzept hätten sie von den Sponsoren eine Carte blanche erhalten, versicherte KHM-Direktorin Haag. Freilich, wie Weppelmann der „Presse“ erzählte, wollte er ursprünglich nur Landschaften zeigen. Das war den Sponsoren dann doch nicht spektakulär genug.

Zufrieden ist der Kurator aber auch mit diesem Ergebnis – und man kann es mit ihm sein. Da fixiert verbissen ein Greis etwas vor ihm, man weiß nicht, was; neben ihm schaut versonnen ein Jüngling ins Leere: Neben ein berühmtes Porträt von Hans Holbein aus Eigenbestand (John Chambers, Leibarzt von König Heinrich VIII.) hat man hier eines von seinem Bruder Ambrosius gehängt; das Petersburger Bild ist eines der wenigen erhaltenen, der Maler starb sehr früh.

Wie schreibt sich ein Leben in ein Gesicht ein? Noch ein weiteres Renaissance-Paar lädt ein, darüber nachzusinnen – wieder ein junger und ein älterer Mann, diesmal aus Italien. Auf den ersten Blick könnte man sie für eine Person in unterschiedlichen Lebensaltern halten. Das Wiener Bild zeigt einen gelehrten Zeitgenossen des Malers Giovanni Battista Moroni, die Stirn gefurcht, der Blick wie ermattet vom Schmerz der Welt. Neben ihm ein junger Unbekannter mit entschlossenem Blick, in ähnlicher Pose und doch gegensätzlich: Gleich wird er loslegen, tun, was zu tun ist. Vielleicht malen? Man vermutet, dass hier der Maler Francesco Bassano porträtiert ist, was das Petersburger Bild für eine Schau in Wien prädestiniert, denn das KHM hat die weltweit größte Sammlung von Werken der Bassano-Familie. Auch „der“ Tintoretto freilich ist hier repräsentiert, zweimal mit christlichen Motiven – dem „Hl. Georg“ (Petersburg) und dem vom Kreuz gehobenen Christus.

Ente, Schwein und ein Kind, das raucht

Wenn die Hausherrin schläft, raucht das Kind Pfeife, das Schwein frisst Rosen, auf einem Männerbuckel hockt eine Ente – das aus dem KHM bekannte Bild „Verkehrte Welt“ des Niederländers Jan Steen ist mit dessen Eremitage-Bild „Der Ehevertrag“ kombiniert, strotzt auch von Situationskomik und Symbolik. Zwei Landschaftsbilder hat Kurator Stefan Weppelmann untergebracht – eine spannende Kombination, wenn man ihre jeweilige Entstehungsweise im 18. Jahrhundert kennt: Für sein (aus Petersburg angereistes) Italien-Bild begab sich der Deutsche Jakob Philipp Hackert mitten in die Natur. Das so natürlich wirkende Bild „Landschaft bei Sudbury“ hingegen malte der Engländer Thomas Gainsborough wie stets im Atelier – nach Modellen aus Naturmaterialien, wie Kork und Moos. Subtil, anregend ist das alles. Kultur sei ohnehin „viel interessanter als alles andere“, sagte der 71-jährige Direktor Mikhail Piotrovsky, dessen Vater schon Eremitage-Direktor war. Und wenn Krieg drohe, könne Kultur ihn vermeiden helfen. Gerade in dieser Schau freilich, so schön sie ist, klingt die Botschaft vom Primat der Kultur nicht ganz überzeugend.

„Die Eremitage zu Gast in Wien. Meisterwerke von Botticelli bis Van Dyck“, bis 2. September, Di–So: 10–18 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2018)

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