Auch in der Kunst geht's um Frauen und Geld

Arte Povera heute: Salzbrocken, alte bemalte Segel und Zeichnungen in Bienenwabenrahmen von der armenisch-ägyptischen Künstler-Nomadin Anna Boghiguian im Rupertinum.
Arte Povera heute: Salzbrocken, alte bemalte Segel und Zeichnungen in Bienenwabenrahmen von der armenisch-ägyptischen Künstler-Nomadin Anna Boghiguian im Rupertinum.(c) Rainer Iglar
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Es ist ein Zufall. Aber man kann hier diesen Sommer auch die Ausstellungen mit Jedermanns Augen sehen: Im Museum der Moderne regieren die starken Frauen. Im Traklhaus geht es, ganz lapidar, um die Anhäufung von Geldkunst.

Salzburg. Es wird gebuhlt um sie in der internationalen Museumsszene, um die großen, reifen Frauen der Gegenwartskunst. Diese kann man noch „entdecken“, als Sensation vermarkten, ihnen zur lang verwehrten Anerkennung, zum lang verdienten „späten Ruhm“ verhelfen. Das ist mittlerweile, seit Maria Lassnig und Louise Bourgeois, ein Klischee. Trotzdem sind wir noch nicht durch mit der Aufarbeitung von lang unter ihren Werten geschlagenen Künstlerinnen. Man merkt das u. a. an der Reaktion des Kunstmarkts, in Salzburg an der Galerie von Thaddaeus Ropac etwa, der seit vorigem Jahr Valie Export ins Programm aufnahm und ab diesem Wochenende die erste Einzelausstellung der britischen Porträtmalerin Elizabeth Peyton zeigt.

Eine der Kuratorinnen, die sich ebenfalls international dieser Mission widmen, ist Sabine Breitwieser. Als Direktorin des Salzburger Museums der Moderne hat sie dieses Programm stringent verfolgt, denkt man an große Retrospektiven von Carolee Schneemann oder Charlotte Moorman. Konsequenterweise verabschiedet sie sich jetzt auch mit zwei starken Frauen aus Salzburg, ihr Nachfolger beginnt im Herbst: Am Mönchsberg wird mit Marisa Merz (*1926) die einzige Künstlerin der italienischen Arte-Povera-Bewegung der 1960er- und 70er-Jahre vorgestellt. Und so auch die „Gattin“ des hier mit einem seiner berühmten Iglu-Gerüsten auch im öffentlichen Raum, direkt neben dem Museum am Mönchsberg präsenten Künstlers Mario Merz (1925–2003).

Gattinnen und Nomadinnen

Vor allem das Frühwerk von Marisa Merz, die zwar im Rückblick gesehen Zeit seines Lebens im Schatten des berühmten Mannes stand, aber dort zumindest immer arbeitete, ist beeindruckend – wuchtige silberne Alu-Röhren, die als „Living Sculpture“ einst (1966) von der Decke ihrer Küche hingen, jetzt von der von Museen wie der Tate schweben, die das Hauptwerk 2009 ankaufte. Der Großteil von Marisa Merz' Werk aber ist kleinteilig und poetisch, neuere Engelbilder grenzen allerdings schon an Kitsch. Über ihre wunderbar ironisch-feinen, aus Nylon und Kupferdraht gestrickten Pantöffelchen der Arte-Povera-Zeit gelangt man gedanklich zu der gut eine Generation jüngeren armenisch-ägyptischen Künstler-Nomadin Anna Boghiguian, der auch das viele rastlose Reisen anscheinend nicht geholfen hat, den Fängen der Kunstindustrie zu entkommen (zurzeit hat sie auch ihre erste Einzelausstellung im New Museum, New York).

Im Rupertinum kann man eintauchen in dieses der Arte Povera durchaus verwandte Werk, das sich dem Besucher gern versperrt – der Betrachter interessiere sie auch null, wie die nahezu zahnlose Künstlerin bei der Pressekonferenz offen zugab. Die schwere Verständlichkeit, akustisch wie visuell in ihren historisch-assoziativen Installationen, scheint jedenfalls Programm. Auch ihre in Zeichnungen, Künstlerbüchern und auf den riesigen, auch das Rupertinum durchspannenden alten Segeln auftauchende Schrift ist eine Zumutung. Es geht in diesen Textfetzen jedenfalls gegen den Kapitalismus eines Donald Trump, so viel ist klar, gegen vom Handel getriebenen, ausbeutenden Kolonialismus, der u. a. die Unbildung der Bevölkerung strategisch fördere, so Boghiguian, die selbst vier Uni-Abschlüsse aus Ägypten und Kanada in der (Reise-)Tasche hat. Und es geht um Vögel, viele Vögel, Boghighuians Sinnbild für Freiheit. Sie hat viel Zeit, sie zu beobachten, sagt sie, in ihrem Atelier auf einer Insel im Nil.

Wie ein Konter auf diese „arme“ Kunst wirkt die Sommerausstellung der ebenfalls vom Land Salzburg finanzierten Minikunsthalle Kunst im Traklhaus. Es geht schlicht um Geld, die langjährige Leiterin, Dietgard Grimmer, hat einen Hang zu handfesten Themenausstellungen. Es gab hier schon welche zum Sessel in der Kunst oder zu Tieren in der Kunst. Großartigen theoretischen Überbau verpasst Grimmer dem Ganzen auch gar nicht erst, was so ehrlich ist, dass es den Künstlern jedenfalls gefällt. Sie stellen hier nicht nur gern aus, sondern schaffen auch schnell einmal Neues, etwa Siegfried Anzinger, der spontan einige karikaturhafte Zeichnungen zu Sprichwörtern rund um Geld geschickt hat. Werke von unglaublichen 90 Künstlern aus Österreich und der Restwelt sind hier in drei Räumen versammelt, man schlendert von einer Warhol-Dollarnote über kapitale Beuys-Geldscheine zu geschredderten Scheinen (Timm Ulrichs will der Erste gewesen sein) zu Künstlergeld wie den von den Kabakovs geprägten Münzen. Schließlich landet man vor dem Sigmund Freud der 50-Schilling-Banknote, den US-Videokünstler Tony Oursler frei aus dem Unbewussten brabbeln lässt: „Fuck“. Womit wieder alles zusammenkommt. Das Geld, die Frauen und Jedermann.

Museum der Moderne: Marisa Merz, bis 4. November. Rupertinum: Anna Boghiguian, bis 11. November, während der Festspiele täglich 10–18h.

Kunst im Traklhaus: „Schilling, Mark, Dollar, Euro in der Kunst“, Waagplatz 1a, bis 15. 9., Di–Fr, 14–18h, Sa, 10–13h

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2018)

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