Galerien: Berlin zieht nach Wien

Es ist wohl Gold, was glänzt: John Millers Müllhocker „Verliebt in Berlin“ in der Galerie Emanuel Layr (Ausschnitt).
Es ist wohl Gold, was glänzt: John Millers Müllhocker „Verliebt in Berlin“ in der Galerie Emanuel Layr (Ausschnitt).(c) Layr/Miller
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Kunst. Frischer Wind für die Wiener Szene: Curated by, neue Galerien.

Natürlich geht es nicht direkt um Wien, das meiste wird auf einer Metaebene „verhandelt“, schließlich haben wir es mit zeitgenössischer bildender Kunst zu tun, da will man nicht vorhersehbar sein. Wenn das Galerienfestival Curated by sich zu seinem Zehnjahresjubiläum also das Thema Wien verpasst, muss es sozusagen fast notgedrungen um Berlin gehen. Und tatsächlich geht es in vielen der 21 von prominenten und/oder internationalen Kuratoren (Ex-Mumok-Chef Lóránd Hegyi, Ex-Kunsthallen-Direktor Gerald Matt, Ex-Wien-Museum-Direktor Wolfgang Kos, Ex-Palais-de-Tokyo-Direktor Jérôme Sans etc.) konzipierten Galerie-Ausstellungen um den Blick von außen, oder auch den Blick nach außen. Und das ist gut, so formt sich Identität, nicht immer schmerzfrei.

Berlin spielte und spielt da für Wien in mehrerer Hinsicht eine interessante Rolle. Seit die hier vertriebenen Wiener Aktionisten und ihr Umkreis dort in den 1960er- und 70er-Jahren Zuflucht suchten, ist es eine Sehnsuchtsstadt für Wiener Künstler, denen es hier immer schon zu eng, zu konservativ oder zu theoriefeindlich war.

Dann fanden Generationen rund um Heimo Zobernig etwa ihr Glück im Umkreis der in Berlin herausgegebenen Hardcore-Kunsttheorie-Publikation „Texte zur Kunst“. Ein Diskursdunstkreis, der in der Galerie Emanuel Layr Form annimmt. Layr hat den in Berlin lebenden Künstler Robert Müller als Kurator eingeladen, eine Art Symbolfigur der Wien-Berlin-Achse, der in Wien seit fünf Jahren den Kunstraum Nousmoules (Wir Muscheln) neben dem Futuregarden-Artclub betreibt.

Müller kündigte damit sozusagen eine sanfte „Einwanderungswelle“ von Berliner Galerien nach Wien an. Diesen nicht kommerziellen Off-Space ausgenommen, übersiedelten in den vergangenen Jahren bereits drei deutsche Galerien (Beck & Eggeling aus Köln, Crone und Croy Nielson aus Berlin) nach Wien bzw. machten hier Dependancen auf. Heute abend eröffnet mit Exile die vierte. Christian Siekmeier hat im Eschenbachgassenviertel, gleich neben Silvia Steinek, einen sehr schrägen, sehr kleinen Raum, eher müsste man Ort dazu sagen, gefunden: ein hölzern vertäfeltes, verwinkeltes Gassenlokal, das viele Jahrzehnte einem kettenrauchenden russischen Import-Export-Geschäftsmann als Bürokammer diente, wie Siekmeier erzählt.

Berlin setzt auf Start-ups, nicht Kunst

Wie kann man eine Berliner Loftgalerie gegen eine derartige Nikotinsauna tauschen? Der Wechsel habe einerseits private Gründe, erklärt der Galerist. Andererseits sei nach zehn Jahren in Berlin die Luft irgendwie raus gewesen. Eigentlich habe er schon schließen wollen, seine Künstler hätten ihn aber davon überzeugt, noch einmal etwas Neues zu versuchen, das Ganze „umzuformen“. Was durchaus auch eine finanzielle Überlegung war, denn in Berlin gehen die Mieten raketengleich hinauf; in Wien, so Siekmeier, könne man sich einen Raum direkt an einer der renommiertesten Galerienmeilen noch leisten. Nachdem Berlin jahrelang die Kunstszene für Promotionzwecke ausgenützt habe, konzentriere sich jetzt dort alles auf Start-ups, sagt Siekmeier. Viele Galerien schließen, die Künstler gehen weg, es gibt keine finanzierbaren Räume mehr.

In Wien dagegen gebe es einen „Drive“ in der Kunstszene, viele junge Räume, zwei gute Kunstunis, eine hohe Dichte an Institutionen, deren Direktoren und Kuratoren auch tatsächlich in die Galerien gehen, anders als in Berlin, beobachtet Siekmeier. Ein prinzipieller Vorteil einer kleineren Kunstwelt, die auch einen größeren Austausch, spannendere Dialoge fördere, meint er.

Im Raum stehen und hängen Apparaturen mit Organen u. a. aus Glas, Latex, Chiasamen und Stoff vom litauischen Künstlerduo Pakui Hardware. Diese artifiziellen Organismen könne man auch in Richtung Kunstszene deuten, meint der Galerist, in der man sich wieder neu aufeinander besinnen sollte. Bis jetzt sei er hier sehr herzlich aufgenommen worden. Auch das Programm des Galerienfestivals Curated by, bei dem er (heuer) noch nicht dabei ist, gefalle ihm. Im Gegenteil zum Berliner Gallery Weekend, bei dem jeder Teilnehmer 7500 Euro zahlen müsse, um in die Marketingmaschinerie aufgenommen zu werden, werde man bei Curated by finanziell unterstützt.

3000 Euro bekommt der Kurator, 6000 die Galerie, das Budget dafür kommt von der Stadt Wien, die Publikationen und das Begleitprogramm kommen von der Kunstsektion des Bundes. Bisher hat die Wirtschaftsagentur Departure das ganze Projekt verwaltet. Heuer wurde es in die Selbstverwaltung der Galerien übergeben. Eine Entscheidung, die, hört man, die Wiener Galerienszene wieder enger zusammenbrachte. Gleich wenige Sammler wie in Berlin, dafür bessere Mieten und auch noch besseres Klima (untereinander) – so könnte Wien wieder einmal das neue Berlin werden.

Curated by: bis 13. 10., Infos unter www.curatedby.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2018)

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