Kunststadt Wien: Kunst ist Kapital, kapiert?

Der Linzer Künstler Hannes Langeder hat vor die ehemalige Bankzentrale am Praterstern eine aufblasbare Version des Chemnitzer Karl-Marx-Kopfes gestellt – „Marx Light“. Hingucker der „Parallel“-Kunstmesse, bis Sonntag.
Der Linzer Künstler Hannes Langeder hat vor die ehemalige Bankzentrale am Praterstern eine aufblasbare Version des Chemnitzer Karl-Marx-Kopfes gestellt – „Marx Light“. Hingucker der „Parallel“-Kunstmesse, bis Sonntag.(c) Thomas Eisl
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Zwei Messen zelebrieren auf jeweils eigene Weise diese Woche Wien als Kunststadt. Hier liegt enormes Potenzial, man könnte ordentlich Kapital daraus schlagen.

Viel kommt diese Woche zusammen in Wien: Zwei Kunstmessen, die gegensätzlicher nicht sein könnten und dadurch nur zeigen, welches Potenzial diese Stadt in diesem Bereich gerade hat. Wiens Szene ist lebendiger denn je, das Berliner Pflaster wird dagegen teurer und härter. Weitblickende Kulturpolitiker könnten jetzt ihren Beuys memorieren: „Kunst ist Kapital.“

Das ist auch das Motto der alternativen Kunstmesse Parallel, die heuer zum sechsten Mal parallel zur „glossy“ Schwester Viennacontemporary stattfindet. Die Parallel beginnt heute, Dienstag, die Contemporary am Donnerstag. Die Kunst verbindet und trennt sie: etwa Marx. Die Contemporary findet in der Marx-Halle statt, die mit Karl aber gar nichts zu tun hat, sondern sich vom Heiligen Markus ableitet.

Vor der Parallel steht dafür ein neun Meter hoher Marx-Kopf, jener von Karl diesmal, und zwar nach dem berühmten Monument-Vorbild von Chemnitz. Der Linzer Künstler Hannes Langeder hat den aufblasbaren „Marx Light“-Hingucker heuer für den 200. Geburtstag des „Kapital“-Autors geschaffen, er stand schon in Hamburg und in Linz. Jetzt eben vor dem ehemaligen Bank-Austria-Bürogebäude am Praterstern.

Im leer stehenden Wilhelm-Holzbauer-Bau, in dem die Parallel-Macher heuer kostengünstigen Unterschlupf gefunden haben, sprechen der künstlerische Leiter Stefan Bidner und Kuratorin Antje Prisker aber weniger über Marx als eben über Beuyssches Kreativitätskapital, das heute nicht nur zur Allerweltslitanei von Unternehmensberatern gehört.

Das „Kapital“ hat die „Kunst“ im Zweifelsfall längst schon gegen diese selbst instrumentalisiert – Gentrifizierung heißt das. Man holt Künstler in strukturschwache Gebiete, wodurch sie belebt und aufgewertet werden, um dann so teuer zu werden, dass sich besagte Künstler die Mieten nicht mehr leisten können. Und tschüss. Siehe Berlin.

Junge Szene in Museen nicht präsent

Der Wert des Bürostandorts Lassallestraße wird zwar durch die Parallel nicht wesentlich gesteigert werden. Aber es geht den Parallel-Machern ums Prinzip: In Wien gebe es durch die zwei Kunstunis zwar ein Riesenpotenzial, das sich in Galerien und Museen aber nicht abbilde, meint Bidner. Ein bisschen Umverteilung des Kapitals, sagt er, könnte daher nicht schaden. An die Künstler, die für die an der Einwohnerzahl gemessen wohl größte Dichte von Off-Spaces (von den Künstlern selbst betriebene Kunsträume) Europas sorgen. Und auch an die Parallel selbst, die diesen Off-Spaces zumindest einmal im Jahr eine Plattform bietet. Man bekomme vom Bund eine Subvention von 10.000 Euro. Von der Stadt Wien heuer aber erstmals keinen Cent, so Bidner.

Beruhigung ist das zwar keine: Aber auch die etablierten Künstler haben keine Sichtbarkeit in den Institutionen. Das merkt man wieder, wenn man den ehemaligen Archivraum des Bankgebäudes betritt, wo man eine Konzentration „Wiener Meister“ sieht („Parallel Masters“), die kein Museum in der Dauerausstellung hat: Diese Ausstellung funktioniert wie eine Speicherzelle für all die jungen Positionen, die in den zwei Stockwerken darüber Bürozelle um Bürozelle füllen: Es ist die Väter- und Großvätergeneration der heute jungen Wiener Kunstszene, von den Wiener Aktionisten über die feministische Avantgarde bis zu Einzelfiguren wie Gironcoli, Oberhuber, Heimo Zobernig und Franz Graf. Fast alle Arbeiten hier sind museal, darunter sehr frühe etwa von Markus Prachensky (geometrisch-abstrakt!) und Hans Staudacher (wild collagierend).

Von hier kann man direkt zu Christian Eisenbergers vor dem Eingang schwebendem Skulpturenklumpen aus Klebeband springen. Und zu so vielen anderen – mit 500 Künstlern, 29 Galerien, 57 Off-Spaces, 34 extra eingeladenen Einzelkünstler-„Statements“ und 27 Interventionen vor Ort ist es die größte Leistungsschau der jungen Wiener Szene bisher. In all ihrer Breite. Auch die Wiener Galerien, die etwas auf ihre Nachwuchsförderung halten, sind vertreten, teils parallel zur Viennacontemporary und auch zur Art Berlin, die durch ein Planungschaos bedingt ebenfalls dieses Wochenende stattfindet. Die Wiener brauchen sich jedenfalls nicht zu verstecken.

Parallel: 25.–30. Sept., Lassallestr. 1, direkt bei Ausgang U1 Praterstern, 12–19 Uhr, tägl. 15 Uhr geführte Tour.

Viennacontemporary: 27.–30. Sept., Marx-Halle,
Karl-Farkas-Gasse 19, tägl. 12–19, So. 12–18 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2018)

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