„Es ist wichtig, dranzubleiben“

Hier kommt sie, die „Wonderwoman“ (2009) von Eva Schlegel. Die Künstlerin unterschrieb ebenfalls den zur Zeit zirkulierenden „Offenen Brief“ gegen die Dominanz der „weißen Männer“ im Kunstbetrieb.
Hier kommt sie, die „Wonderwoman“ (2009) von Eva Schlegel. Die Künstlerin unterschrieb ebenfalls den zur Zeit zirkulierenden „Offenen Brief“ gegen die Dominanz der „weißen Männer“ im Kunstbetrieb. (c) Schlegel
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Eine fast nur männlich besetzte Gruppenausstellung in Düsseldorf sorgt für einen „offenen Brief“ von 900 Personen aus der Kunstszene. Man sieht ein strukturelles Problem.

Im Zweifel für den Zweifel: Die große Weltverschwörung“ heißt die gerade eröffnete Ausstellung im NRW-Forum in Düsseldorf, die gerade für heftige Diskussionen in der Kunstszene sorgt. Die Kuratoren – Alain Bieber, Direktor der Institution, und Florian Waldvogel – luden unter 16 Positionen anfangs nur eine, nach erster Kritik eine zweite Solokünstlerin ein. Kritik an diesem Verhältnis setzte nach Veröffentlichung der Künstlerliste ein, beginnend mit einem Facebook-Post der Kuratorin Verena Kaspar-Eisert aus dem Kunsthaus Wien: „Den Prozentsatz von Frauen in einer Ausstellung derart gering zu halten muss eine Herausforderung sein. Erklärt das bitte, Leute.“

Seither hegen beide Seiten den Weltverschwörungsverdacht gegeneinander: Die Kuratoren fühlen sich von einem „banalen Mainstream-Feminismus“ verfolgt, der durch eine Quotenforderung Künstlerinnen in ihrer Opferrolle halte, wie Waldvogel in seiner als Replik auf die Kritik formulierten Eröffnungsrede ausführte. Was die erste Reaktion vonseiten der Institution relativierte, in der versichert wurde: „Es war ganz sicher nicht unsere Intention, weibliche Positionen von der Ausstellung auszuschließen. Es ist aber natürlich richtig, dass wir als Institution hätten hinterfragen müssen, wie es zu der überwiegend männlich besetzten Künstlerliste gekommen ist, und weitere weibliche Positionen hätten einbeziehen müssen.“

„Mansplaining“ über Feminismus

Rede und Erklärung wollen eine Gruppe von Künstlerinnen und Kuratorinnen, darunter Kaspar-Eisert und Candice Breitz, nicht so stehen lassen. Das „Mansplaining“ darüber, was der „richtige“ Feminismus sei, sowie das Löschen kritischer Posts auf Facebook-Seiten habe dazu geführt, so Kaspar-Eisert, einen offenen Brief zu formulieren, den bisher schon 900 Personen aus der Kunstszene unterzeichnet haben: „Wie kann es sein, dass im Jahr 2018 in einem von öffentlichen Geldern finanzierten Ausstellungshaus erneut eine Ausstellung mit einer derartigen Quote zustande kommt? Wie kann es sein, dass eine internationale Ausstellung über globale Phänomene beinahe ausschließlich mit Werken von weißen, männlichen Künstlern konzipiert wird? [. . .] Die damit verbundene Haltung ist der Motor für eine sogenannte systemische Exklusion – die natürlich nicht nur weibliche Positionen betrifft, sondern auch die von künstlerischen Haltungen jenseits des europäischen und nordamerikanischen Kanons.“ Es gehe bei dieser Initiative nicht um die Kuratoren persönlich, so Kaspar-Eisert, sondern um eine Sensibilisierung für das Thema. „Das Problem wird sich nicht von heute auf morgen ändern, aber es ist wichtig, dranzubleiben und nicht auf einem Viertel des Weges zufrieden zu sein.“

Was in diesem Streit offenbar wird, ist die Kluft zwischen den zwei Polen, die sich in diesem Zwischenstadium herausbilden: Zwischen der anhaltenden Dominanz von Künstlern auf dem Kunstmarkt und einer verstärkten öffentlichen Wahrnehmung von Künstlerinnen etwa durch mehr Einzelausstellungen für Frauen (heuer etwa auffällig in den Wiener Museen), mehr Preisvergaben (nahezu alle deutschsprachigen Kunstpreise waren voriges Jahr weiblich besetzt) und mehr spezifische Ausstellungen (wie die gestern im Österreichischen Kulturforum New York eröffnete Schau „Women Now“).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2018)

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