Sind wir heute alle Louise Lawler?

Schaut aus wie Spiderman, ist aber ein Mobile von Alexander Calder vor einer Warhol-Blume. Fotografiert von Louise Lawler 2001, veröffentlicht unter dem ironischen Titel: „He’s Here“.
Schaut aus wie Spiderman, ist aber ein Mobile von Alexander Calder vor einer Warhol-Blume. Fotografiert von Louise Lawler 2001, veröffentlicht unter dem ironischen Titel: „He’s Here“.Louise Lawler und Metro Pictures New York/Sammlung Verbund, Wien
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Sie entzauberte mit ihren Fotos von Kunst einst lapidar Aura- und Geniekult, den wir so gern um Kunst treiben. Der Verbund zeigt jetzt seine Louise-Lawler-Sammlung.

Keine Fotos der Künstlerin posten. So die Bitte beim Pressegespräch zur neuen Ausstellung der Stiegenhaus-Galerie des Verbunds am Hof. Louise Lawler weiß um die Ambivalenz dieses Verbots – die Verweigerung, ihre Persönlichkeit ihrer Kunst quasi beizusteuern, kann kontraproduktiv sein, sie sogar noch interessanter machen. In den USA gilt sie durchaus als Star mit Ausstellungen im MoMA etc. In Wien aber ist diese Gefahr beherrschbar, weiß sowieso kaum jemand, wer die Dame ist, geschweige denn, welche Kunst sie macht.

Lawler, Jahrgang 1947, zählt zur „Picture Generation“, einer losen Gruppe von Künstlern, die prominentesten davon Cindy Sherman und Richard Prince, die seit den späten 1970ern mit Bildern aus Massenmedien arbeitet. Sie verfremdet sie nicht, wie davor in der Pop Art, sondern „appropriiert“ sie, benutzt sie eins zu eins, um Taktik und Qualität der Ästhetik zu hinterfragen. Der Trick ist die Enthebung aus dem banalen Nutzen in die entlarvende Nutzlosigkeit der Kunstwelt.

Kunst als Leerstelle an der Wand

Lawler schwebte noch eine Metaebene höher – sie ist dafür berühmt, dass sie Kunst anderer fotografiert, um zu zeigen, dass diese in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich wahrgenommen wird: im Depot, ganz auratisch in Ausstellungsinszenierungen, didaktisch inklusive Bildbeschriftung daneben – oder etwa als Leerstelle, also in Form zweier Nägel an der Wand. „Abbau“ nennt Lawler dieses Foto von 2002/03, es war das erste ihrer Werke, das Verbund-Sammlungsleiterin Gabriele Schor 2004, im Gründungsjahr dieser so charismatisch auf die „Feministische Avantgarde“ konzentrierten Kollektion, von Lawler ankaufte. Genauer gesagt von der New Yorker Metro Pictures Gallery – die Wege der Kunst transparent zu machen ist ebenso Teil von Lawlers Werk. So bestand sie etwa darauf, dass am Anfang des Katalogs eine Liste aller ihrer 27 Verbund-Arbeiten steht, inklusive Verkäuferangaben, was in diesem Fall nicht wahnsinnig aufschlussreich ist, aber ein sympathischer Ansatz.

Interessant ist, wie sehr die Wahrnehmung dieser Ikone einer kritisch-reflektierten Kunstbetrachtung, die den Aura- und Geniekult so lapidar entzaubert hat, durch Instagram selbst entzaubert wurde: Mittlerweile sind wir doch irgendwie alle Louise Lawler, fotografieren ununterbrochen Kunst in allen Zuständen. Lawler kam unter Zugzwang, zog zuletzt neue Ebenen in ihr Werk ein, ließ ihre alten Fotos etwa von einem Illustrator nachzeichnen, was im Ergebnis absurderweise wie ein Schritt zurück aussieht, zur Pop Art eines Roy Lichtensteins etwa. Eine gewisse Ratlosigkeit ist aus diesem jüngsten Werk herauszulesen, Lawler weiß, dass sich die Frage „Why pictures now?“, die sie 1981 in einem ihrer Schlüsselwerke stellte, überholt hat. Diese Ratlosigkeit ist zumindest ehrlicher, als es alles andere wäre.

„She's here“, bis 20. 4., zugänglich jeden Mittwoch um 18 Uhr im Rahmen einer Führung. Am Hof 6a, 1010 Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2018)

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