Schwarz-weiß und genagelt

„Integrazione ovale“ von Carla Accardi ist auf 160.000 bis 240.000 Euro geschätzt und damit ein Rekordanwärter.
„Integrazione ovale“ von Carla Accardi ist auf 160.000 bis 240.000 Euro geschätzt und damit ein Rekordanwärter.Dorotheum
  • Drucken

Auf der Auktionswoche für zeitgenössische Kunst und Moderne im Dorotheum stehen die Künstlergruppen Forma und Zero im Rampenlicht.

Die italienische Kunst der Moderne war jahrzehntelang von figurativen Bewegungen wie dem Futurismus, der Pittura metafisica oder dem sozialistischen Realismus dominiert. Die Faschisten und auch die italienischen Kommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg beriefen sich auf die Traditionen der Antike und der Renaissance und lehnten Abstraktion ab. Es gab aber in Italien auch Künstler, die dieses Erbe anders interpretierten und aus ihm ein abstraktes Formenvokabular entwickelten.

Dazu zählte die Künstlergruppe Forma 1, die sich für eine strukturierte, aber nicht gegenständliche Kunst einsetzte. Laut Dorotheum-Experten Alessandro Rizzi legten sie Wert auf Form und Zeichen in deren grundlegender Bedeutung, verzichteten in ihren Werken auf jeglichen symbolistischen oder psychologischen Anspruch und bezeichneten sich selbst als „Formalisten und Marxisten, die überzeugt sind, dass die Begriffe Marxismus und Formalismus nicht vereinbar sind“.

Die Quotenfrau. Zu dieser Künstlergruppe zählt auch die Römerin Carla Accardi. Sie vertrat die Abstraktion in dieser Gruppe am vehementesten. Am 27. November kommt im Wiener Dorotheum im Rahmen der Auktion Zeitgenössischer Kunst von Accardi die Arbeit „Integrazione ovale“ von 1958 unter den Hammer. Das schwarz-weiße Großformat ist auf 160.000 bis 240.000 Euro geschätzt. Somit trauen die Experten dem Werk einen neuen Rekordpreis zu. 2016 erzielte eine 1966 entstandene Komposition aus wellenförmig bemalter Folie auf weißem Grund ebenfalls im Dorotheum mit einem Zuschlag von 190.000 Euro den Auktionsrekord. Neben Accardi kommen noch Werke von Piero Dorazio und Giulio Turcato zum Aufruf, ebenfalls Mitbegründer der Gruppe Forma in Rom.

Arbeiten der Gruppe Zero haben in den vergangenen Jahren enorm an Beliebtheit gewonnen. Die Gruppe wurde 1957 von Heinz Mack und Otto Piene gegründet, 1961 stieß noch Günther Uecker dazu. Sie waren vernetzt mit Künstlern wie Lucio Fontana aus Mailand oder Yves Klein aus Paris und prägten die abstrakte Nachkriegsmoderne in Deutschland. Heinz Mack experimentierte mit Material, Licht und Bewegung, Piene gilt als ein Wegbereiter der Licht- und Feuerkunst sowie von Sky-Art-Aktionen. Uecker wurde vor allem bekannt mit seinen reliefartigen Nagelbildern.

Im Dorotheum kommen von Uecker diesmal gleich drei Arbeiten zum Aufruf, darunter das erst 2012/13 entstandene „Feld“, das auf 400.000 bis 600.000 Euro geschätzt ist, sowie das partiell bemalte Quadrat „Poesie der Destruktion“, das auf 160.000 bis 240.000 Euro taxiert ist. In der sechsteiligen Arbeit „Johannes“ aus dem Jahr 1995, die seinen „Aschebildern“ zuzuordnen ist, nimmt der Künstler Bezug auf die Katastrophe von Tschernobyl. Handgeschriebene Zitate aus dem Johannesevangelium sind hier mit einem Asche- und einem Nagelbild eingefasst. Es soll 200.000 bis 300.000 Euro wert sein. Otto Piene ist mit der mit Öl, Pigment und Feuer gestalteten Arbeit „Nach April“ vertreten, die auf 55.000 bis 75.000 Euro geschätzt wird.

Neben Zero hat das Dorotheum unter den Toplosen aus Deutschland noch eine Acrylarbeit von Hans Hartung. „T 1963-R50“ hat eine fast fernöstliche, kalligrafische Note. Und von Ernst Wilhelm Nay, einem der bedeutendsten Maler Deutschlands nach 1945, der sich um 1953 mit den musikalischen Einflüssen auf seine Kunst auseinandersetzte, das Werk „Einklang“. Es ist ein gutes Beispiel für Nays „rhythmische Bilder“ und kommt mit einer Taxe von 200.000 bis 300.000 Euro zum Aufruf.

Lassnig-Arbeit. Im Dorotheum kommen auch österreichische Avantgardisten nicht zu kurz. Allen voran ist hier Maria Lassnig zu nennen, die mit einer „Blassen Hockenden“, einem ihrer in typischen Blau-Grün-Ockertönen gehaltenen Körperbewusstseinsbildern von 1972 vertreten ist. Die Schätzung liegt bei 130.000 bis 250.000 Euro. Vertreten sind zudem Arnulf Rainer, Alfons Schilling, Hans Staudacher und Hans Bischoffshausen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.