Biennale: Die wichtigsten Länderpavillons

Eine Installation von Natasha Sueder Happelmann (Natascha Sadr Haghighian).
Eine Installation von Natasha Sueder Happelmann (Natascha Sadr Haghighian).APA/AFP/TIZIANA FABI
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91 Länder präsentieren sich heuer mit Pavillons bei der 58. Biennale Venedig, die am Samstag eröffnet. Die Länder, die schon früh dabei waren, bekamen Bauplätze in den Giardini, die anderen mieten sich quer über die Stadt verteilt ein. Ein erster Blick ins Herzstück der Repräsentation.

Deutschlands Superstar, Deutschlands Topmodel der Kunst hat heuer – kein Gesicht, keinen Lebenslauf. Dafür trägt sie stolz einen Pappmaché-Stein als Kopf und einen Namen, der klingt wie ein (politischer) Witz: Natascha Süder Happelmann. Um den Auftritt wurde ein großes Geheimnis gemacht, er scheint ein kollektives Projekt rund um Bildhauerin Natascha Sadr Haghighian zu sein. Am ersten Preview-Tag, am Dienstag, wurde es noch immer nicht ganz gelüftet – einen erklärenden Text zur Installation verweigerte man. Also sah man nicht, was man weiß, sondern schlicht das, was da war: eine verkehrt an einen Gerüststapel gelehnte Werbetafel, die mit Mühe als Anzeige für (vermutlich) Dosentomaten entziffert werden konnte.

Im Hauptraum dann eine riesige graue Staudammwand, aus der ein ekliges Rinnsal geflossen zu sein scheint. Im Raum dahinter wird sie als Kulisse enttarnt, dort gelangt man unter das stützende Gestänge, wo einen eine Sound-Collage berieselt.

Nach Andeutungen im Vorfeld, bei denen man in einem Video etwa sah, wie die kopflose Künstlerfigur zu den in Süditalien unter sklavenartigen Bedingungen Tomaten erntenden Flüchtlingen recherchierte oder in Deutschland die Mauern von „Ankerzentren“ für Flüchtlinge abging, kann man die Richtung erahnen, in die man hier assoziieren soll. Was bleibt, ist allerdings ein recht hohles Gefühl.

Ein Highlight: Der tschechische Pavillon

Intensiver wird es schräg gegenüber, wo mit Stanislav Kolíbal im tschechischen Pavillon ein Grandseigneur ausstellt, der den politischen Umständen seiner Heimat bewusst immer getrotzt hat. Er arbeitete unablässig und widerständig unter den Regimen, entwickelte seit den späten 1940er-Jahren mit einer sensiblen minimalistischen Formensprache symbolische Skulpturen, in denen es um die Schwierigkeit einer aufrechten Haltung geht. Kommissär ist übrigens der österreichische Sammler und Museumsexperte Dieter Bogner.

Ebenfalls eine starke und arrivierte, ebenfalls eine mit Mitteln eines minimalistischen Symbolismus arbeitende Position zeigen die USA mit Martin Puryear. Der 1941 geborene Künstler ist nach Mark Bradford schon der zweite afroamerikanische Künstler in Reihe hier im US-Pavillon. „Freiheit“ heißt die Schau, die bis auf eine Ausnahme – Puryears ikonische, rote „Phrygische Mütze“ – nur neue Arbeiten umfasst. Vor den Pavillon spannt sich eine gitterartige Holzstruktur mit schwarzem Wurmloch in der Mitte – „Verschluckte Sonne“ heißt die hinsichtlich des Widerstands der meisten US-Künstler gegen Trump wohl auch politisch zu verstehende Installation.

Eher für ein politisch korrektes Statement als eine überzeugende künstlerische Arbeit entschied sich Kanada, wo zwar erstmals Inuit ihr Land präsentieren, man aber die renommierten Isuma-Filmemacher wählte – und somit einen Dokumentarfilm, der eher zur Film-Biennale gepasst hätte.

Film spielt heuer allerdings neben der Skulptur eine Hauptrolle in den Pavillons. Entweder scheint man sich so in unsicheren Zeiten verstärkt auf „reale“ Bilder stützen zu wollen, etwa wenn Brasiliens Subkultur-Tanzszene vorgestellt wird. Oder man will über das emotionalere Medium die häufig beschworenen Dystopien noch suggestiver machen. So etwa bei den etwas zu ausgefeilt verstörenden Beiträgen von Frankreich (Laure Prouvost) oder Dänemark (Larissa Sansour). Subtiler verstörend sind die alienhaften Kinderfiguren von Cathy Wilkes, die einen im englischen Pavillon durch ihre Welt begleiten, gehängt auch in ihrer Augenhöhe: Versatzstücke einer unheimlichen Häuslichkeit, einer formal nicht mehr durchzuhaltenden Bürgerlichkeit, verschwommener Erinnerungen an etwas, das einmal heil war. Und das Wort Brexit kommt einem hier höchstens im ganz eigenen Spuk unter. (sp)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2019)

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