Glänzende Grenzmauer im Belvedere 21: Aber wer will da schon hinein?

Bonvicini verbirgt in ihrer Installation im Belvedere 21 nicht ihren Ärger über politische Entwicklungen.
Bonvicini verbirgt in ihrer Installation im Belvedere 21 nicht ihren Ärger über politische Entwicklungen.(c) J. Ziehe
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Bildhauerin Monica Bonvicini, einst prägende Professorin an der Wiener Akademie, stellt im Belvedere aus.

Es ist nicht so, dass man die Enttäuschung nicht vorhersehen würde. Trotzdem schleppt man sich irgendwie gierig danach die schmalen Treppen ins Obergeschoß des Belvedere 21 aka 20er-Haus hinauf. Von der Galerie aus verspricht ein Blick in den Hauptraum schließlich zu enthüllen, was uns die in Italien geborene, in Berlin lebende Bildhauerin Monica Bonvicini dort unten entzogen hat: die Sicht auf das Zentrum, auf einen nicht betretbaren Raum, den sie mit mächtigen, fünf Meter hohen Aluminiumwänden samt Stacheldraht obendrauf eingegrenzt hat. Oder ausgegrenzt?

Die Symbolik des Grenzzauns ist so herrlich ambivalent wie mittlerweile subtilitätsresistent. Was Künstler trotzdem nicht daran hindert, sie ausführlich zu benutzen, wie jetzt eben Bonvicini in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung in Österreich. Auch sie folgt, lauscht man ihr bei der Pressebegehung, anscheinend dem Motto: Diese Zeit – Nationalismen, Trump, Migration – brauche ebensolche Bilder. Was mittlerweile dazu führt, dass man in der Flut dieser Bilder diese nicht mehr als kritisch wahrnimmt, sondern als redundant und pathetisch.

Ausgestellt wird die Leere, was sonst?

So ist eben schon von Anfang an klar, was man sieht, wenn man die Treppen hinaufgeht. Der Raum, den Bonvicini hier nur von oben einsehbar macht – wie kann er anders als leer sein? Ein leerer Raum, der mit unterschiedlichen geopolitischen, aber auch genderkritischen Befindlichkeiten gefüllt werden kann. Denn Bonvicini, die Bildhauerin der starken Gesten und heftigen Materialien, die in ihrer 15-jährigen Lehrtätigkeit an der Wiener Akademie so viele junge Künstlerinnen dazu ermutigt hat, mit ähnlich schweren, harten Materialien in ähnlich großen Formaten zu arbeiten, druckte auf die sonst leeren, uns höchstens verschwommen spiegelnden Aluminiumwände zwei Bilder: vorn ein Klischee des Weiblichen, der Schriftzug „Hysteria“, wobei das „s“ wie ein Dollarzeichen gestaltet ist und so auch die Verlustangst der Privilegierten mit hineinzieht. Hinten trabt der Marlborough-Cowboy gen Sonnenuntergang: ganz toxische, US-amerikanische, kapitalistische Protzmännlichkeit. Dazwischen – das Nichts. Zu füllen mit dem Wust an vorhersehbaren Assoziationen, die Bonvicini hier triggert.
Denkt man an den hier völlig fehlenden Humor und die subversive Power ihrer sonstigen Arbeiten, an den wirbelnden Ledergürtelmob, der wie eine mehrschwänzige Peitsche durch einen leeren Raum fegt, an den Sex-Schaukel-Garten oder den mit schlappen Glasdildos behängten Duchamp'schen Flaschentrockner – ja, dann ist man enttäuscht. Bonvicini scheint hier übermannt worden zu sein von ihrem eigenen Ärger über die politischen Verhältnisse in Europa und den USA. „I Cannot Hide My Anger“ heißt der ausweglose Aluminiumkerker denn auch. Und schon hat die Kunst eine Grenzzauninstallation mehr, schmerzlos in ihrer vor sich hergetragenen Empörung und ästhetischen wie moralischen Überformung.

Interessant ist ein Vergleich mit dem Schweizer Christoph Büchel. Er stellte gerade bei der Biennale Venedig, in Bonvicinis Heimat, das Bootswrack der größten Schiffskatastrophe des Mittelmeers aus (bei der 2015 über 700 Flüchtlinge ertranken) – und ließ es so als Kunstwerk wahrnehmen. Büchel stellt immer die Realität selbst aus und schafft es so, dass sowohl diese Realität als auch die Kunst an sich wieder neue Dringlichkeit bekommen. Voriges Jahr schaffte er das auch mit dem so redundant wirkenden Motiv der Mauer: Er startete eine Aktion, um die acht Prototypen der Mauer, die Trump bei San Diego hatte aufstellen lassen, um so das beste „Design“ auswählen zu können, als „nationales Denkmal“ schützen zu lassen. Es gab eine Onlinepetition, Büchel machte touristische Führungen zu diesen Monolithen, die wie eine Land-Art-Installation frei in der Wüste standen. Wenig später wurden sie abgerissen. Die Perversion, die manchmal entsteht, wenn sich Kunst und Realität ästhetisch gleichen, ist das, was uns bei Büchel so aufregt. Vielleicht sollte einen die eigene Abgeklärtheit, die man empfindet, wenn man vor Kunst steht, die wie Kunst aussieht, ähnlich erschrecken.

„I Cannot Hide My Anger“, bis 27. Oktober, Belvedere 21, Mi bis So: 11 bis 18 Uhr, Mi und Fr: bis 21 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2019)

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