Ausstellung: Propagandakunst aus Nordkorea

Ausstellung Propagandakunst Nordkorea
Ausstellung Propagandakunst Nordkorea(c) Korean Art Gallery Pyongyang
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Am Dienstag eröffnet im Wiener Museum für angewandte Kunst die kontroversiellste Ausstellung des Jahres: "Blumen für Kim Il Sung. Kunst und Architektur aus der Demokratischen Volksrepublik Korea".

Die Stimmung im Museum für angewandte Kunst am Stubenring scheint angespannt, fast könnte man meinen, der Kontakt mit einer exemplarischen Diktatur habe abgefärbt: Am Dienstag eröffnet mit einem halben Jahr Verspätung (aus nicht näher definierten „organisatorischen Gründen“) eine der kontroversiellsten Ausstellungen des Jahres – nicht nur in Österreich: „Blumen für Kim Il Sung. Kunst und Architektur aus der Demokratischen Volksrepublik Korea“.

Doch Abbildungen von den Raritäten dieser Schau, von 16 der „erstmals ausgestellten“, sonst streng innerhalb der Landesgrenzen gehüteten Porträts „der beiden höchsten Führungspersonen Kim Il-sung und Kim Jong-il“, werden nicht herausgegeben: „Das ist eine Entscheidung des Museums, nicht der Nordkoreaner“, erklärt MAK-Sprecherin Monika Meryn. „Ob das bis zur Eröffnung gelockert wird, ist noch unklar. Aber bei einer Vorankündigung ist es bereits passiert, dass der Falz durch das Gesicht eines der beiden gegangen ist. Und diese Bilder sind Heiligtümer für die Koreaner. Sie würden auch nicht wollen, dass ein Jesusbild geknickt wird.“

Auch Vorabinterviews mit der Kuratorin der Ausstellung, Bettina M. Busse, werden abgeblockt. Gleiches Recht für alle Tageszeitungen, lautet die Devise – erst bei der Pressekonferenz dürfen Fragen gestellt werden. Dabei gäbe es diese en masse an die Frau fürs politisch Unkorrekte in diesem Haus – Busse organisierte hier 2004 bereits die umstrittene Otto-Muehl-Ausstellung. Schon allein die vom MAK herausgegebenen Ankündigungstexte sorgten für Irritationen– von einer kritischen Annäherung an die Propagandakunst dieses abgeschotteten stalinistischen Regimes ist darin nichts zu spüren. Versprochen wird vielmehr „erstmals ein umfassender Einblick in die zeitgenössische Kunst, die Plakatproduktion und die Architektur der Demokratischen Volksrepublik Korea“. In „enger Zusammenarbeit mit der Nationalgalerie Pjöngjang“ wurden hundert Ölbilder, Tuschmalereien, Aquarelle und dreißig Plakate und Architekturmodelle ausgewählt. „Realistische Kunst, die die Welt realistisch darstellt und dem Sozialismus dient“, wie es ein Sprecher der nordkoreanischen Botschaft der „Presse am Sonntag“ gegenüber formuliert. Ein „erstmals in Europa zu sehender Staatsschatz“.

Oberstes Zielist Autarkie. Seit Ende der 60er-Jahre zunehmend isoliert, hat der als „Große Führer“ zu bezeichnende Kim Il-sung mit der „Chuch'e-Ideologie“, die dem Marxismus-Leninismus als überlegen gefeiert wird, die Autarkie Nordkoreas als oberstes Ziel definiert; dem auch die gefeierten Staatskünstler ungebrochen zu dienen haben. Die Pressetexte der Ausstellung sprechen dagegen nur von einem Einblick in eine „hierzulande fremd wirkende Kultur, die durch die allumfassende Verehrung des 1994 verstorbenen ,Ewigen Präsidenten‘ Kim Il-sung und seines derzeit regierenden Sohnes Kim Jong-il bestimmt wird und von der Chuch'e-Ideologie, einer spezifischen Interpretation des Sozialismus, geprägt ist“.

Ein affirmativer Zugang, der dazu führte, dass Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) auf Druck der Boulevardmedien die bei Ausstellungen von Bundesmuseen übliche Staatshaftung für die Leihgaben (in diesem Fall 6,38Mio.Euro) verweigerte. Und das MAK „eine andere Form der Versicherung“, so Meryn, sprich bei einem Privatunternehmen, abschließen musste. Auch die sonstigen Kosten für die Ausstellung werden zur Gänze vom MAK getragen. Der nordkoreanische Staat habe sich nicht eingekauft, heißt es dazu aus der nordkoreanischen Botschaft.

Die unkommentierte Selbstdarstellung eines der politisch isoliertesten Länder dieser Welt in einem Bundesmuseum wirft automatisch ethische Fragen auf: Rechtfertigt das Argument des seltenen Einblicks in das geschlossene Propagandakunstsystem einer extremen, menschenrechtsfeindlichen Diktatur das Forum eines bedeutenden westlichen Museums? Auch wenn es bereits Publikationen (Jane Portal, „Art Under Control in North Korea“) und – allerdings nicht derart „offizielle“ – Ausstellungen zu diesem Thema gab („The World According to Kim Jong-il“, 2004, Kunsthalle Rotterdam)? Kann etwa das Rahmenprogramm die Kritik liefern, die in der Ausstellung ausgespart bleiben muss?

Die Faszination, die Nordkoreas Propagandakunst auf renommierte Künstler (wie Andreas Gursky) und Kuratoren ausübt, ist jedenfalls nicht zu leugnen: „Nordkorea als Thema ist wahnsinnig faszinierend – da ist eine ungeheure Mystik im Spiel“, so einer der weltweit einflussreichsten Kuratoren, Kaspar König, Direktor des Ludwig-Museums in Köln zur „Presse am Sonntag“. „Die Frage ist natürlich, wie man es zeigt. Man sollte sagen, dass es eine Selbstdarstellung Nordkoreas ist.“

Gerald Matt, Direktor der Kunsthalle Wien, hat 2006 mit dem in Wien lebenden Fotografen Luca Faccio eine Fotoausstellung in Pjöngjang organisiert. Natürlich waren auch sie damals mit Restriktionen konfrontiert. „Das ist eine Diktatur, die den kulturellen Bereich vollständig kontrolliert. Da gibt es nicht im geringsten Ausmaß künstlerischer Freiheit wie wir uns das vorstellen. Aber es war unser Versuch, in Nordkorea selbst etwas aufzulockern. Ich bezweifle, dass die Ausstellung im MAK einer Öffnung dient. Es ist eine extrem harte Diktatur, in der ich keine Lücken sehe. Wenn man so eine Ausstellung zeigt, zeigt man ausschließlich, was diese Diktatur zulässt. Man zeigt das Bild des Selbstbildes. Aber auch das kann natürlich verräterisch sein.“

Progagandakunst Kunst, die einen von außen aufgetragenen Gedanken illustriert, ihm dienen soll, meist einem politischen, ideologischen System. Das können Religionen, Monarchien, politische Parteien sein. Propagandakunst in rigiden Diktaturen wie Nordkorea, die dem Künstler keine Freiheiten lassen, ist Werbung, so gesehen als angewandte Kunst zu definieren.

Ausstellung
„Blumen für Kim Il Sung. Kunst und Architektur aus der Demokratischen Volksrepublik Korea“. MAK-Ausstellungshalle, Weiskirchnerstraße 3, Wien 1.

Dauer
19.Mai bis 5.September.
Di. 10–24Uhr.
Mi. bis So. 10–18Uhr. www.mak.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2010)

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