Graffiti: Das ist Kunst, aber es kann weg

Dieses Wandbild in Bristol soll von dem berühmten, geheimnisumwobenen Künstler Banksy stammen. Ob das stimmt, weiß einzig er selbst.
Dieses Wandbild in Bristol soll von dem berühmten, geheimnisumwobenen Künstler Banksy stammen. Ob das stimmt, weiß einzig er selbst. REUTERS
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Als Vandalismus verpönt, vom Wien-Museum als Street Art gefeiert: Wie geht eine Subkultur damit um, dass sie salonfähig wird?

Kyselaks Inschrift an der Säule im Wiener Schwarzenbergpark. Josef Kyselak (1798 - 1831) war begeisterter Wanderer und Hofkammerbeamter in Wien. Bekannt wurde er für die Gewohnheit, auf Wanderungen seinen Namen in großen Buchstaben zu hinterlassen. Für die Graffiti-Kultur stellt er einen wichtigen Vorläufer dar.
Kyselaks Inschrift an der Säule im Wiener Schwarzenbergpark. Josef Kyselak (1798 - 1831) war begeisterter Wanderer und Hofkammerbeamter in Wien. Bekannt wurde er für die Gewohnheit, auf Wanderungen seinen Namen in großen Buchstaben zu hinterlassen. Für die Graffiti-Kultur stellt er einen wichtigen Vorläufer dar. (c) Wikipedia creative commoms

Halfdan war hier“: So verewigte sich ein Wikinger im neunten Jahrhundert mit Runen in der Hagia Sophia. Was für ein Barbar! Doch halt: Auch große Geister wie Voltaire und Goethe fanden es nicht kleinlich, auf der Turmspitze des Straßburger Münsters ihre Namen einzuritzen. Ein junger Beamter aus dem Wien der Biedermeierzeit trieb die Spielerei zur megalomanen Manie: Joseph Kyselak hinterließ seinen gemalten Namenszug an allen Ecken und Enden der Monarchie. Das sicherte ihm „Fame“. Doch hätte er es sich nicht träumen lassen, eineinhalb Jahrhunderte später zum Ahnherrn einer Subkultur in Amerika zu avancieren. Wie auch die U-Bahn-Sprayer von New York nicht ahnten, dass ihr Treiben bald als Kunstform gelten sollte. Ihre Graffiti inspirierten Basquiat, Keith Haring und nun, mit Banksy, eine der schillerndsten Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit.

Wie das kam? Wohin es führt? Im Wien-Museum füllt Street Art bis Ende August die leeren Räume vor dem Umbau, und zum Start wird einer referieren, der es wissen muss: Stefan Wogrin ist Sprayer und Kunsthistoriker in Personalunion. „Die Writer wollten früher nie als Künstler gesehen werden“, erklärt er. Aber immer mehr von ihrer Sorte verbreiteten den Schriftzug ihres Pseudonyms über die Städte. Wie aus der Masse hervorstechen, sich Ruhm erwerben?

Sublimierter Kampf um Anerkennung

Durch Menge, Größe, auffallende Orte? Gewiss. Immer mehr aber auch durch besondere Typografie, eigenständigen Stil, kunstvolle Verzierung. Der Kampf um Anerkennung sublimierte sich zum Wettstreit ums schönere Bild. Dabei formte sich für das scheinbar zügellose Tun – oh produktiver Widerspruch der Kunst! – ein Korsett an Regeln, die jeder Sprayer „für seine Zwecke zu nutzen weiß“. Auch dass der Reiz des Verbotenen zum Kick gehöre, sei ein Missverständnis: „Am Anfang gab es noch gar keine Gesetze, die das Sprayen verboten hätten“. Der Rauschzustand, der viele Sprayer erfasst, sei einem anderen Gefühl geschuldet: „Ich werde gesehen“, weil ich „großflächig den öffentlichen Raum“ gestalte. Aber es ist nicht das Ego des Alltags, das sich da breitmacht: „Die reale Person tritt zurück, für den gewählten Namen und das Werk.“

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