Astronomie und Kunst: Ein wenig Raum tut dem Mondzauber gut

Weibliche Inbesitznahme von Mondmythen: Nives Widauer, „Die Monde in den Frauen“, 2019, zu sehen in der Kunsthalle Krems.
Weibliche Inbesitznahme von Mondmythen: Nives Widauer, „Die Monde in den Frauen“, 2019, zu sehen in der Kunsthalle Krems.(c) Studio Nives Widauer
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Gleich zwei große Ausstellungen – im Salzburger Museum der Moderne und in der Kunsthalle Krems – versuchen derzeit, mit dem Jubiläum der Mondlandung bei ihrem Publikum zu landen.

Irgendwie hat es von Anfang an nicht gezündet zwischen der Kunst und der Euphorie rund um die erste Mondlandung vor 50 Jahren. Man braucht sich nur anzusehen, was entstand, als die Nasa versuchte, Künstler in ihr Programm zu „embedden“. Man gab ihnen exklusiven Zugang zu Orten und Materialien – und dennoch verhielten sie sich verhalten. Robert Rauschenberg etwa: „Stoned Moon“ heißt 1969 seine berühmte Lithografieserie, die in ihrer Kleinteiligkeit, Collagehaftigkeit und Indifferenz von Motiven und Abstraktion schwer zu entschlüsseln ist.

Man meint zu spüren, wie er hin- und hergerissen war zwischen der Faszination der Raumfahrt und dem Versuch, sich nicht vereinnahmen zu lassen. Das Nasa-Art-Programm gibt es übrigens bis heute, es umfasst 2500 Werke von über 350 Künstlern.

Gefühlt ähnlich viele sind in der Ausstellung „Fly Me to the Moon“ im Museum der Moderne am Mönchsberg vertreten. Aber auf Gefühle soll man sich ja nicht verlassen, es sind gut 50 Künstler, von denen aber fast 300 Werke zu sehen sind. Die in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich entstandene Ausstellung ist enorm, auch in ihrem Anspruch, die „Faszination Mond“ über die Jahrhunderte zu zeigen, von Galileo Galilei bis Pipilotti Rist sozusagen.

Kuratorische Rumpelkammer

Das endet in der Salzburger Station jedenfalls in einer Rumpelkammer, hinter jeder Ecke hängt oder steht etwas, in einen Stock nur hat man gepresst, was durchaus beide gefüllt hätte (aber einen davon besetzen Sigalit Landaus Salzskulpturen, die in ihrer Grandezza mehr wie vom Mond wirken als die ganze obere Ausstellung). Es ist also Arbeit, sich hier durchzulesen und durchzuschlängeln, vor allem die historischen Exponate leiden dadurch, etwa eine Wand in Petersburger Hängung (also übereinander) mit Meistern der Moderne wie René Magritte oder Max Ernst. Die haben den Mond noch ernst nehmen können in seiner Mystik.

Die Künstler der Post-Apollo-Generation haben damit dann ernsthafte Probleme, sie sind naturgemäß geschüttelt von Skepsis gegenüber weißen alten Herren, Repräsentation und Nationalismus, die den Mondflug beherrschen. Von der Genferin Sylvie Fleury mit ihren dekadenten Plüschraketen bis zur Züricherin Zilla Leutenegger, die man in einer Videokoje tatsächlich (stehend!) in einen Mondkrater pissen sieht. Die Kooperation Schweiz/Österreich (Kuratoren: Cathérine Hug, Thorsten Sadowsky) ist bei der Künstlerauswahl nicht zu verleugnen.

Natürlich hat da dann auch Kiki Kogelnik ihren Fixplatz, die parallel zur Liveübertragung der Mondlandung damals in der Galerie nächst St. Stephan ein „Moonhappening“ veranstaltete, bei dem sie nicht als Alien auftrat, sondern ganz brave Siebdrucke schuf, ebenfalls live: der Mond mit poppigen Inschriften, Zitaten der Astronauten wie „I can see my footprint“. Kogelnik, die damals eigentlich in New York lebte, bewegte sich im Freundeskreis von Pop-Art-Künstlern wie Warhol und Rauschenberg.

Die „Stoned Moon“-Drucke von Letzterem sind nur eine Brücke nach Krems. Dort konzentrierte sich Kurator Andreas Hoffer vorwiegend auf Gegenwartskunst, mit einigen historischen Schlenkern zurück zu US-Künstlern wie eben Rauschenberg oder dessen Pop-Art-Kollegen Robert Indiana, der mit seinem Gemälde „Die Braunschaft“ – geliehen aus dem Wiener Mumok – auf den NS-Hintergrund der Mondlandung durch den dabei federführenden deutschen Wissenschaftler Wernher von Braun verwies, der nach 1945 direkt von den Nazis zu den Amis wechselte. „Ah! Seht sein grinsendes Gesicht“, schrieb Indiana 1969 wenig verschlüsselt auf sein Bild zur Mondlandung. Eine Kritik, die einem in beiden Ausstellungen übrigens nur hier, nur einmal begegnet. Wie auch der heutige Wettlauf um den Mond, in den die Chinesen nicht nur eingestiegen sind, sondern den sie wohl auch ideologisch anführen, keine Aufmerksamkeit bekommt.

Dafür erfahren wir in beiden Ausstellungen, dass es nur zwei Jahre dauerte, bis nach dem Menschen das erste Kunstwerk auf dem Mond landete: die achteinhalb Zentimeter hohe Aluminiumskulptur „Man in Space“ des Belgiers Paul Van Hoeydonck, ein blockartiges Männchen ohne Arme, das zum Gedenken an die ums Leben gekommenen Weltraumreisenden rücklings in einen Krater gelegt wurde. Auch die kuratorische Unschuld des Mondes war damit dahin.

Buzz Aldrin in voller Montur

Hoffer schafft in Krems mit wenigen, vor allem, aber nicht nur, österreichischen Künstlern ein viel einnehmenderes Erlebnis als in Salzburg. Ein bisschen „Space“, ein bisschen mehr Raum zwischen den Arbeiten tut dem künstlichen Mondzauber eindeutig gut. Den malerischen Fake-Geister-Begegnungen etwa, die Thomas Riess den Astronauten mit ein paar Pinselstrichen ins sonst fotorealistische Bild zaubert. Den fantastischen Raketenentwürfen, die Andreas Werner mit Bleistift groß auf Papier setzt. Der weiblichen Inbesitznahme von (falschen) Mondmythen der Nives Widauer, prominent in beiden Ausstellungen vertreten – mit Bildteppichen und aquarellierten Frauenköpfen, denen sie Monde als Augen einpasst. Oder Herbert Brandls schneller Ölskizze des Plakats, das in seinem Kinderzimmer hing: Darauf der „second man on the moon“, Buzz Aldrin, in voller Montur. Man merkt: Nostalgie und Retro-Feeling herrschen vor in der Mondbetrachtung der Künstler heute. Eine Rückschau auf verlorene Utopien, in der auch gern die klassische Moderne zitiert wird. Es ist wie mit dem Blick durchs Teleskop von Wendelin Pressl: Man glaubt, den Mond zu sehen, sieht aber nur ein Stück weiße Wand. Ewige Romantiker sehen darin eine Projektionsfläche für unsere Menschheitsträume. Andere einfach nur nichts.

Kunsthalle Krems: „Ticket to the Moon“, bis 3. 11.
MdM Salzburg: „Fly Me to the Moon“, bis 3. 11.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2019)

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