Leopold Museum: Muehls gescheiterte Musealisierung

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Der vorsichtige Versuch, nur den Maler Otto Muehl zu zeigen, geht nicht auf. Kunst, Leben und Verbrechen sind zu dicht miteinander verwoben. Immerhin ist im Leopold Museum die Enttäuschung vergleichsweise gering.

Die Augen wie bei einer Vision aufgerissen, die wilden Augenbrauen dramatisch hochgezogen, der Mund schmal und streng, das Kinn trotzig nach vorne gestreckt – ein dämonischer Guru, wie aus dem Bilderbuch. Zehn Jahre Kommune hatte Otto Muehl schon hinter sich, als er sich am 17.April 1981 für dieses Selbstporträt ins Gesicht sehen musste. Sein Versuch eines alternativen Gesellschaftsmodells im Burgenland war gerade dabei, zur absurd hierarchischen Sekte mit absurd florierenden Bankengeschäften zu werden. Die hier diktierte Ideologie der freien Sexualität führte im fortschreitenden Macht- und Drogenrausch des Führers (und der pseudo-emanzipatorischen Frauen und Mütter in seinem engsten Führungskreis) bis zum sexuellen Missbrauch von Unmündigen. Wofür der charismatischste Künstler Nachkriegsösterreichs sechseinhalb Jahre – bis auf wenige Monate die gesamte Haftstrafe – im Gefängnis saß.

In dieser Zeit begann der charismatischste Sammler Nachkriegsösterreichs, Rudolf Leopold, das malerische Werk Otto Muehls zu entdecken und relativ günstig in der sich auflösenden Friedrichshof-Kommune groß einzukaufen, darunter auch das etwas unheimliche Selbstporträt Muehls als Kommunenführer. Es hängt am Beginn der chronologischen Ausstellung, die Leopold dem gleichaltrigen Künstler zum 85.Geburtstag ausrichtet. Mit rund 100 Werken wird nicht einmal die Hälfte des 240-teiligen Bestandes gezeigt, den Leopold in seiner „Sammlung II“ (nicht in der Stiftung) bewahrt.

Sparsame Texte, schöne Hängung

Nicht zuletzt deshalb, weil sich Leopold und sein Sohn Diethard, Psychotherapeut und Ko-Kurator, für eine ungewohnt strenge Auswahl entschlossen haben: Gemeinsam mit kritischen Ex-Kommunarden wurden alle Bilder aussortiert, die Missbrauchsopfer zeigen. Was vor allem die unter diesen Gesichtspunkten doppelt zynische Serie „Unfälle im Haushalt“ betraf, wie in der Ausstellung neben einem Beispielbild erklärt wird – mit Verweis auf den Katalog und das Statement Diethard Leopolds auf der Homepage.

Ansonsten wird mit Texten sehr sparsam umgegangen. Was betonen soll, auf welche Seite dieser ewigen Gratwanderung einer Muehl-Ausstellung man lieber abstürzen möchte: nämlich auf die der Kunst. Die Annahme, man könne Muehls Malerei getrennt von seinem Leben betrachten, hat wohl noch niemand so schön gehängt und qualitativ hochwertig versucht zu belegen. Dennoch kann sie nur an einem Künstler, dessen ausgesprochenes Ziel es war, gerade diese Trennung von Kunst und Leben aufzuheben, scheitern. Sie würde allerdings ebenso scheitern, zeigte sie Muehls Leben, also inklusive Verbrechen, als Gesamtkunstwerk, wie es 2004 im MAK geschah.

Immerhin ist im Leopold Museum die Enttäuschung vergleichsweise gering. Auch künstlerisch, steht man einmal den Originalen des postaktionistischen Kommunenmalers Muehl gegenüber. Er ist nicht nur ein stilistischer Epigone, wie man ihm vorgehalten hat. Auch wenn er recht zeitgeistig zwischen Bad Painting, Neo-Fauvismus und Pop Art hin- und herwechselt. Die Bilder sind von Aufbau und Strich enorm gekonnt. Wenn es inhaltlich nur nicht so eintönig wäre, wie ein einziger exzessiver Sexualakt – voll Geilheit und anschließender Leere. Kopulierende, spritzende, mordende Menschen werden von stillen, flächigen, reduzierten Landschaftsbildern der Parndorfer Heide unterbrochen. Im Zentrum der Ausstellung steht der „Vincent“-Zyklus, in dem Muehl sich verräterisch manisch an van Gogh rieb. Womit wir wieder im Psychologischen wären – und in der Kommune. Was bleibt, ist ein ratloses Seufzen vor diesem so schwierigen wie ambivalenten Lebenswerk, das sich wohl auch in Zukunft gegen jegliche museale Zivilisierung sträuben wird.

ZUR AUSSTELLUNG

„Otto Muehl. Sammlung Leopold“ wird heute Abend eröffnet und läuft von 11.Juni bis 4.Oktober täglich außer Dienstag von 10 bis 18h, donnerstags von 10 bis 21h.

Gezeigt werden rund 100 Bilder Muehls vorwiegend aus den 1980ern, 1990ern. Sie kommen aus Leopolds privater „Sammlung II“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2010)

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