Documenta 14, erste Bilder

Spiegler
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Ein Obelisk als Mahnmal für Gastfreundschaft, Röhren-Wohneinheiten nicht für jedermann und ein schwarzes documenta-Bier.

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Stell Dir vor, Karlsaue - es ist documenta, und keiner stellt Kunst in Dich rein. So links liegen gelassen muss sich der riesige Kasseler Park gerade fühlen.

Standen hier sonst große Zelte voll Kunst oder eine Installation neben der anderen, ist bei dieser 14. Ausgabe der großen Weltkunstschau, die nur alle fünf Jahre stattfindet, fast nichts zu finden hier. Gut, vor der Orangerie, dem barocken Schloss, steht eine mühlenartige hölzerne Skulptur, die der mexikanische Künstler Antonio Vega aufgebaut hat, die "Blutmühle", die an die Sklaverei in den bolivianischen Silberminen erinnern soll. In einem Eck hat Lois Weinberger eine Furche ins Gras gezogen, um sie von Unkraut "kolonialisieren" zu lassen - schon 1997 zur documenta X hat er ein stillgelegtes Bahngleis mit Neophyten aus Süd- und Südosteuropa bepflanzt (Migrations-Metapher). Und in einem anderen Eck des Parks steht ein oranges hölzernes Gerüst vom deutschen Konzeptkünstler Olaf Holzapfel. Aber sonst - vor allem Natur, also kultivierte Natur.

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Man merkt - das wird keine einfache Übung in Kunstbetrachtung hier, die morgen, Mittwoch, mit einer Pressekonferenz beginnt. Der polnische Chef-Kurator Adam Szymczyk arbeitet bewusst gegen den Kunstmarkt, gegen die böse neoliberale Vereinnahmung. Große Namen wird man hier keine finden. Dafür viel Politisches, viel Ephemeres, also Performances, Klang-Kunst. Aber einige große Gesten sind auch ihm ausgekommen bzw. den Künstlern. Hier also ein kurzer Überblick über das, womit die documenta 14 in den öffentlichen Raum geht, also was man jetzt schon sieht: 

Am prominentesten Ort, vor dem Fridericianum, steht platzfüllend der Parthenon aus verbotenen Büchern, in Plastikfolien eingeschweißt, der argentinischen Künstlerin Marta Minujin. Allerdings haben nicht genug Leute ihre Bücher gespendet, fast die Hälfte des Gerüsts ist noch unverkleidet. Dahinter dampft aus einem Turm Daniel Knorrs weißer Rauch, wie eine Botschaft aus dem fernen Athen (Motto: "Lernen von Athen"), wo ja der erste Teil der documenta bereits gestartet ist, mit denselben Künstlern, die für Kassel jetzt neue Arbeiten beigesteuert haben.

Ausblick auf den Bücher-Parthenon und den rauchenden Turm
Ausblick auf den Bücher-Parthenon und den rauchenden TurmSpiegler

Das Fridericianum selbst wurde umbenannt, statt des Schriftzugs "Museum Fridericianum" liest man jetzt "Beingsafeisscary" darauf, eine Intervention von Banu Cennetoğlus. 

Die Flüchtlingswelle, Migration, Kolonialisierung, also der Umgang des Westens mit dem "Fremden" zieht sich durch: Am Königsplatz, dem Platz, wo in Kassel die Proteste aller Richtungen stattfinden, steht ein großer Obelisk, in den der nigerianische Künstler Olu Oguibe gemeißelt hat: "Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt". Was sich auch auf die einst von den Römern aus Ägypten als Kriegstrophäe eingeschleppte Form des Obelisken beziehen könnte.

Obelisk
ObeliskSpiegler

Eine Art öffentlichen Wohn-Container hat der in Berlin lebende Iraner Hiwa K auf den Friedrichsplatz gestellt, Röhren, in denen man schlafen, lesen, essen, kochen kann. Was allerdings nicht als Sozialprojekt misszuverstehen ist, wie einem die Assistentinnen erklären, denn einziehen dürfen nur sie hier, die Struktur wird 24h bewacht von Security. Interessant.

Röhren Heim
Röhren HeimSpiegler

Genau wie die Plakataktion von documenta-Dauerstarter Hans Haacke, der in mehreren Sprachen auf regenbogenfarbenen Plakaten verkündet: "Wir (alle) sind das Volk". Auf der Rückseite der prominentesten dieser gemieteten Plakatflächen aber schlägt die (neoliberale, kolonialistische) Realität zurück: "Einmal schwarz, immer schwarz", steht da, eine Bierwerbung für die Marke "Sufferhead". Allerdings weder neoliberal noch kolonialistisch. Sondern auch Kunst. Es ist das documenta-14-Bier, das der nigerianische Künstler Emeka Ogboh brauen ließ, extra scharf übrigens, mit Chili-Note.

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