Intellektueller, Weltbürger, Vermittler: Krzysztof Michalski ist tot

(c) Clemens Fabry
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Sein "Institut für die Wissenschaften vom Menschen" brachte den Geist von Ost und West zusammen. Am 11. Februar ist der neugierige Transatlantiker, bekennende Pole und österreichische Staatsbürger in Wien gestorben.

Die Arbeit am Nietzsche-Buch, das er im vergangenen Jahr bei Princeton University Press herausgebracht hat („The Flame of Eternity: An Interpretation of Nietzsche's Thought“), hat Krzysztof Michalski wohl auch als Arbeit am Abschied verstanden. Er selbst hätte zu dieser Vermutung vermutlich gesagt, dass jede Philosophie die Arbeit am Abschied sei. Die neun Nietzsche-Essays, die „The Flame of Eternity“ ausmachen, sind jedenfalls eine gründliche Arbeit.

Europäische Spitzenforschung

Und gründlich war dieser Mann, der aufs Erste die Assoziation mit dem zerstreuten Professor auslösen konnte, in jeder Hinsicht. Nicht nur als Intellektueller, sondern auch als Wissenschaftsmanager. Der Gründer und Rektor hat sein „Institut für die Wissenschaften vom Menschen“ (IWM) in sehr konsequenter Arbeit unter den europäischen Spitzeninstitutionen außeruniversitärer Forschung im Bereich der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften positioniert.

Dass diese Leistung während der letzten Jahre außerhalb Österreichs eher gesehen wurde als im Land selbst, und dass das IWM im Zuge des Förderungsstopps für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen im Jahr 2010 trotz seines internationalen Renommees in der Existenz bedroht war, wird kaum jemanden überraschen, der über die intellektuellen Ambitionen österreichischer Politiker der Jetztzeit informiert ist.

Dass das IWM Fellows wie Charles Taylor („A Secular Age?“) oder Timothy Snyder („Bloodlands“) nach Wien gebracht hatte, dass Größen wie Ralf Dahrendorf, George Weidenfeld oder Timothy Garton Ash sich als Teil der IWM-Community verstanden, half da zunächst wenig. Mit der Hilfe internationaler Freunde wie George Soros gelang es Michalski aber dennoch, die Finanzierung des Instituts sicherzustellen.

Aufgegeben hat er nie. Auch nicht die Idee, dass Wien und das IWM, das zunächst die Aufgabe übernommen hatte, Ideen und Intellektuelle von diesseits und jenseits des Eisernen Vorhanges miteinander vertraut zu machen, auch und gerade nach dem Wendejahr 1989 eine europäische Aufgabe haben. Michalski war österreichischer Staatsbürger, bekennender Pole, neugieriger Transatlantiker und selbstverständlicher Weltbürger.

Ich hatte das Glück, Krzysztof Michalski, der sowohl mit der „Presse“ als auch mit dem „Standard“ eine Reihe von Kooperationen ins Leben gerufen hatte, persönlich näher kennenzulernen. Sein Humor, seine Wertschätzung für Verschiedenheit und seine Loyalität machten es einem leicht, ihn als Freund zu sehen, unterstützt von seiner angelsächsischen Art, das „Sie“ mit der Verwendung des Vornamens zu kombinieren. Ironisch-liebevoll war er auch dann, wenn er Dankbarkeit zum Ausdruck brachte. Da unterlegte er in seinen Mails und SMS-Botschaften die Anrede M. sowohl mit meinem Vornamen als auch mit „Mutti“, weil er fand, ich hätte mich so gut um ihn gekümmert.

Am 11. Februar ist Krzysztof Michalski, noch nicht 65 Jahre alt, in Wien den Folgen eines Krebsleidens erlegen. Ich gehöre zu den vielen, die ihn vermissen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2013)

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