Regionalkrimi: Stadt, Land, Mord

Regionalkrimi Stadt Land Mord
Regionalkrimi Stadt Land Mord(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Vom Publikum geschätzt, von der Kritik geschmäht: Ist die Kategorisierung als Regionalkrimi inzwischen zum Marker für schlechte Literatur geworden?

Im Salzkammergut, da kamma gut lustig sein“, sang Peter Alexander. Nähme man Krimis als bare Münze, müsste man für die Gegend aber eine Reisewarnung ausgeben. Gerade hat Herbert Dutzler – in der „Presse am Sonntag“ kürzlich besprochen – wieder im Ausseerland zugeschlagen. Auch Edith Kneifl und Manfred Rebhandl ließen im Salzkammergut morden. Anfang Juli ist Anni Bürkls neuer Krimi um die Altausseer Teesalonbetreiberin Berenike erschienen. Eine Frau in Dirndl wird im Wolfgangsee tot aufgefunden. Diese Aufzählung zeigt schon die Bandbreite jener Krimis, die in einer bestimmten Region spielen. Während Rebhandls Romane um den unfähigen Gendarmen Biermösel wortgewaltig die Misere der Menschen auf dem Land hinter der Postkartenfassade entlarven, handelt es sich bei Bürkls Texten um leichte, schnell konsumierbare Krimikost.


Bad Bank der Literatur. Im Feuilleton fallen Regiokrimis häufig durch. „Die Welt“ etwa assoziierte Regionalkrimis mit der Regionalbahn, in der „Berliner Zeitung“ wurden sie der „Regionalliga“ zugeordnet. Tobias Gohlis, Jurymitglied der „KrimiZeit“, bezeichnete sie im „Börsenblatt“ als „die Bad Bank der deutschen Kriminalliteratur“. Zu Recht kritisiert er die „Sprachlosigkeit“ vieler Regiokrimis. Diese äußert sich mit ihrem Gegenteil: Jedes Detail wird ausgewalzt – wenn etwa drei Sätze dafür benötigt werden zu verdeutlichen, dass es im Stall stinkt. Dann stinkt es „bestialisch“, dass einem „schlecht wird“, mindestens aber „schrecklich“. Obwohl jeder schon selbst die Erfahrung gemacht hat, dass Gestank unangenehm ist.

Kritisiert wird die Trivialliteratur auch für das Fehlen von Subtext. Hier nimmt Umberto Eco eine differenzierte Position ein. Er unterscheidet in „offene“ und „geschlossene“ Werke, also solche, die viel Raum für Interpretation eröffnen, und solche, deren mögliche Interpretationen begrenzt sind, wie im Detektivroman. Okay. Aber zwischen wenigen Interpretationsmöglichkeiten und einer einzigen liegen auch noch Welten. Übertüncht wird die mangelnde Sprachkompetenz der Autoren oft mit einem Spezialeffekt: Dialoge werden im Dialekt geschrieben. Was von den Lesern als authentisch wahrgenommen wird. Tatsächlich geht es aber in der Literatur nicht um Naturalismus, also eine exakte Wiedergabe der Realität, sondern um Realismus – eine geschickte Montage derselben, in der Unbedeutendes, Nichtssagendes ausgeblendet wird.

Beim Publikum ist der Regiokrimi weiterhin beliebt, wie die Bestsellerlisten zeigen. Was ist so faszinierend daran? Allgemein wird ein verstärktes Interesse an Regionalität wahrgenommen. Verleger bevorzugen Urlaubsregionen als Kulisse, weil diese auch von Gästen gelesen würden. Das mag das Morden im Salzkammergut erklären. Weniger das im von Touristen kaum frequentierten Weinviertel. Dort spielen sowohl Krimis von Eva Rossmann also auch die „Polt“-Romane Alfred Komareks.

Menschen mit Schrullen. Wollte man Kriterien für Regionalkrimis definieren, könnte man Komareks Bücher exemplarisch herausgreifen: Sie sind nicht so spannend, positiv formuliert nicht so reißerisch wie mancher Hardboiled, dafür gibt es stimmungsvolle, nicht dem Reiseführer entnommene, sondern aus eigener Anschauung gewonnene Landschaftsschilderungen. Und die Figuren werden mehrdimensional gezeichnet: keine Helden, die selbst in größter Gefahr überlegt handeln, sondern Menschen mit Schwächen und Schrullen, die humorvoll geschildert werden. Persönlichkeiten wie etwa die Romni Katharina und ihr transsexueller Freund Orlando in Kneifls wieder aufgelegtem Wien-Krimi „Schön tot“. Ihr neuer Roman – er erscheint im September – spielt ebenfalls in Wien.

Bei Gmeiner erscheinen im August gleich zwei Wien-Krimis: Hermann Bauers nächster Fall mit Ober Leopold und ein weiterer Krimi Gerhard Loibelsbergers. Während Joseph Maria Nechyba versucht, den Mord an einem Schauspieler aufzuklären, bricht der Erste Weltkrieg aus. Nechyba ist ein an seinen Eigenheiten leicht erkennbarer Charakter, mit dem sich die Leser verbunden fühlen. Das mögen vor allem Frauen. Und die Krimileser sind, wie man weiß, überwiegend weiblich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2013)

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