Zur Langsamkeit verdammt

Simon Beckett
Simon BeckettRobert Fairer/www.simonbeckett.com/
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Der Brite Simon Beckett wollte einen neuen Thriller schreiben, geworden ist es eine Familiengeschichte. Angeblich eine sehr französische noch dazu. Harte Zeiten für David-Hunter-Fans.

Die schlechte Nachricht, ausnahmsweise, gleich vorweg: Wer sich nach langem Warten auf eine Fortsetzung der David-Hunter-Reihe erwartet hat, der wird von Simon Beckett diesmal enttäuscht. Der britische Autor hat in seinem neuen Thriller „Der Hof“ darauf verzichtet, den Forensiker Hunter, der ihn ab 2006 mit „Chemie des Todes“ im deutschsprachigen Raum zum Star machte, zum fünften Mal in Aktion treten zu lassen.

Stattdessen lässt Beckett in seinem neuen Werk einen jungen Briten auf der Flucht vor der Polizei und seiner eigenen Vergangenheit auf einem abgelegenen Hof in Südfrankreich stranden, wo er sich mit der dunklen Geschichte der dort zurückgezogen lebenden Familie konfrontiert sieht.

Beckett knüpft damit an seine anderen Romane an – die Zuschreibung Thriller ist diesmal tatsächlich falsch gewählt –, die er vor Hunter verfasste, die in deutscher Sprache aber erst nach und während des Hunter-Hypes veröffentlicht wurden.

Und das wäre auch die gute Nachricht: Wer tatsächlich Simon Beckett und nicht bloß David Hunter mag, der wird sich in „Der Hof“ rasch zurechtfinden. Das Buch ist, ähnlich den frühen Werken und wie Beckett es selbst formuliert, „eher psychologisch“ angehaucht, der Erzählstil nicht so atemlos. Im Gegenteil. Es ist gerade die zermürbende Langsamkeit, aus der sich die Spannung speist.


Lähmende Hitze. Das passt zum Schicksal des Protagonisten und Icherzählers Sean, der – nachdem er auf seiner Flucht in eine Bärenfalle tappte – mehr durch die Geschichte humpelt denn geht. Es passt auch zu seinem Gegenüber, dem herrischen Familienoberhaupt Arnaud und seinen beiden Töchtern, die sich ob ihrer Zurückgezogenheit den ganzen Tag darauf konzentrieren können, sich und ihre dunkle Familiengeschichte am Neuankömmling abzuarbeiten. (Damit es auch der Letzte versteht, vergessen sie dabei nicht, laufend – mal mehr, mal weniger explizit – darauf hinzuweisen, wie dunkel die Familiengeschichte sei.) Die lähmende Hitze des französischen Sommers, die über dem abgeschotteten Hof liegt, trägt das Ihre bei. Wer Beckett kennt, der erkennt in der Monotonie der immer gleichen, immer wieder geschilderten Abläufe eines seiner beliebtesten Stilmittel. (Zumindest, solange er ohne Hunter unterwegs ist.) Da werden langwierig Verbände gewechselt, Mauern verputzt, wird Mittagessen serviert. Immer und immer wieder. Beckett liebt das. Und er kann es, zumeist, gut.

Und doch kippt es streckenweise ins Mühsame. So mancher Kritiker hat Beckett wohl auch deshalb attestiert, einen „sehr französischen“ Thriller geschrieben zu haben. Wer denkt, dass französische Thriller grundsätzlich etwas zu langsam erzählte, zugleich aber eine Spur zu rasch durchschaubare Familiendramen beinhalten müssen, der mag zustimmen.

Dass Beckett nicht die Finger davon lassen kann, sich an französisch-britischen Unterschieden abzuarbeiten, tut dem Buch nicht gut. Wie das durchaus charmant gelingen kann, hat unter anderem Martin Walker mit seinem „Chef de Police“ Bruno bewiesen. Wenn Beckett seinen Sean gleich zum Auftakt auf sein auffällig rotes Haar hinweisen und sodann Baguette und Käse kaufen lässt, während die auftretenden alternden Franzosen selbstverständlich Boule spielen, dann ist das aber etwas zu dumpf. Wahrscheinlich ist es generell das Französische, das dem Buch nicht guttut.


In den USA beliebt. Was klappt, ist die in bewährter Manier kapitelweise eingewobene Vorgeschichte, in der Sean in flottem Stil die ebenso flott ins Unglück (und nach Frankreich) führende Beziehung zu seiner Freundin Chloe erzählt. Da kommt kurz Hunter-Stimmung auf.

Auf dem US-Markt ist „Der Hof“ gut angekommen, erzählt jedenfalls Beckett selbst. „Es hat neue Leser angezogen und diejenigen, die die Hunter-Bücher mochten, scheinen dieses auch zu mögen.“ Eigentlich war Beckett dabei, seinem Helden eine Fortsetzung zu schreiben. Bis „Der Hof“ dazwischenkam. Am nächsten Hunter-Buch arbeitet er dennoch. Der Erscheinungstermin ist unbekannt. Das wäre dann die zweite schlechte Nachricht.

Neu Erschienen

Simon Beckett
„Der Hof“,
übersetzt von
Juliane Pahnke
Wunderlich-Verlag
464 Seiten
20,60 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2014)

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