Triumph der Magie über die Materie

(c) EPA (Leszek Szymanski)
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Der letzte Potter-Band fliegt förmlich von den Regalen der Buchhändler.

Es war, als hätte Lord Voldemort noch einmal die Scharen seiner Todesser aufgeboten: Verheerende Regenfälle, heftige Winde und ein Temperatursturz auf zehn Grad etwa in Edinburgh hatten die Mächte des Bösen in die Schlacht geworfen, um die Feiern zum Erscheinen von „Harry Potter and the Deathly Hallows“ zu verhindern. Wieder einmal aber siegte das Gute. Die treuen Fans ließen sich von Wind und Wetter nicht abschrecken. In Großbritannien waren rund 300.000 Menschen wegen Harry Potter auf den Beinen. Allein auf dem Londoner Piccadilly Circus warteten 7000 Harry Potter-Begeisterte teils tagelang, um beim Verkaufsstart in der Nacht auf Samstag dabei zu sein.

„Ich bin mit ihm quasi aufgewachsen. Dass nun der letzte Band erscheint, bedeutet für mich auch das Ende meiner Kindheit“, sagte der 21-jährige William. So war die Generation Harry Potter zu besichtigen, gewandet als Elfen, Hexen, Zauberer und Eulen. Lange bevor die Buchhandlung Waterstone's öffnete, herrschte Karnevalsatmosphäre. Und als die Uhr endlich Mitternacht schlug, hatte auch der Regen aufgehört. Um es mit Autorin J.K.Rowling zu sagen: „Alles war gut.“

Das erste Exemplar in London ging an die 19-jährige Saskia Haitjema aus den Niederlanden, die seit Mittwoch auf dem Piccadilly Circus ausgeharrt hatte. Wenig später war die 16-jährige Adela Lim aus Singapur an der Reihe: „Oh my god! Oh my god“, waren die einzigen Worte, die sie herausbrachte. Viele Käufer wagten es zunächst gar nicht, das Buch zu öffnen. Andere sah man schnurstracks die letzte Seite aufschlagen. Die Aufnahme war auch bei der Kritik positiv. „Ein Triumph“, urteilte der Literaturkritiker des „Observer“, Robert McCrum. Die zehnjährige Lily Spencer meint als Gastkritikerin: „Die Bücher sind von Band zu Band besser geworden, aber das ist das beste.“

Zehn Millionen Bücher an einem Tag

Erschienen ist das Buch in 93 Staaten. Selbst in Afghanistan wurden 500 Exemplare ausgeliefert. Allein in den ersten 24 Stunden wurden in Großbritannien geschätzte drei Millionen Bücher verkauft, eine Million mehr als 2005 vom sechsten Band. „Das Buch fliegt förmlich von den Regalen“, hieß es bei Waterstone's. Weltweit wurden am ersten Tag zehn Millionen Bücher verkauft.

Am Nordlondoner Friedhof Highgate rotierte zur Geisterstunde wohl Karl Marx in seinem Grab. Sein Diktum, wonach das Sein das Bewusstsein bestimmt – wann wurde es je glänzender widerlegt? Als die damals 29-jährige J.K.Rowling vor zwölf Jahren in der Bahn die ersten Ideen für ihren Harry Potter hatte, konnte sie nicht ahnen, dass sie ein globales Phänomen schuf. 325 Millionen Exemplare in 64 Sprachen wurden von den ersten sechs Bänden verkauft. Die ihrem Kopf entsprungenen magischen Abenteuer haben Wirklichkeit geschaffen: Papier wird bedruckt, gebunden, rund um den Globus transportiert, Filme werden gedreht, unzählige Begleitprodukte sind entstanden, ein Imperium wurde geboren.

Die einst mittellose Alleinerzieherin Rowling ist heute mit geschätzten 545 Millionen Pfund eine der reichsten Frauen der Welt. In den ersten 24 Stunden seit Verkaufsstart von Band sieben kamen 24 Millionen dazu. Und das war erst der Anfang. Die deutsche Übersetzung etwa erscheint erst Ende Oktober.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2007)

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