Deutscher Buchpreis: Die sechs Romane auf der Shortlist
Jenny Erpenbeck, Rolf Lappert, Inger-Maria Mahlke, Ulrich Peltzer, Monique Schwitter und Frank Witzel sind nominiert. Ihre Romane kurz vorgestellt.
30.12.2016 um 15:56
In Frankfurt wird am Montag nicht nur die Deutsche Buchmesse eröffnet, sondern auch der Deutsche Buchpreis vergeben. Hier dürfen sich die Autoren Jenny Erpenbeck, Rolf Lappert, Inger-Maria Mahlke, Ulrich Peltzer, Monique Schwitter und Frank Witzel Hoffnungen machen. Österreichische Autoren sind nicht nominiert. Am Dienstag wird dann die Frankfurter Buchmesse eröffnet, bei der die Veranstalter mit rund 300.000 Besucher rechnen.
(c) APA/dpa/Boris Roessler (Boris Roessler)
Der Gewinnertitel dieses Jahres. Der Titel verrät schon einiges: Frank Witzel hat einen über 800 Seiten langen Roman vorgelegt, in dem wir von Projektion zu Projektion, Einfall zu Einfall, Zeitsprung zu Zeitsprung gehetzt werden, wobei wir mit irren Erinnerungen und abstrusen Träumen konfrontiert werden, die oft schwer, meist gar nicht einzuordnen sind, was auch egal ist: Worum es "wirklich geht", erfahren wir nämlich ohnehin nicht. Dafür eine Menge über katholische Zwänge, revolutionäre Träume und über die Wünsche, Ängste und Vorlieben von Teenagern jener Zeit. Ein im besten Sinn aberwitziges Porträt der Bundesrepublik. BEST
(c) Matthes & Seitz Berlin
Die in Ost-Berlin geborene Autorin Jenny Erpenbeck ist eine Meisterin darin, von kleinen Schicksalen zu erzählen und dabei (auch) die große Geschichte zu meinen. "Gehen, ging, gegangen" ist ihr bislang engagiertester Roman: Es geht um die Flüchtlingskrise. Dem Thema nähert sie sich über einen Umweg. Ein emeritierter Professor sucht nach einer neuen Aufgabe und stolpert dabei quasi über die Flüchtlinge am Oranienburger Platz. Ihnen verpasst er Namen wie Apoll und Tristan. Großartig: Die mit viel Poesie auserzählten Lebensgeschichten der jungen Männer aus Nigeria, Libyen oder aus dem Niger. BEST
(c) Verlagsgruppe Random House GmbH, Muenchen
Im Sommer ist der Roman erschienen, und das Wetter wird noch länger brauchen, um seiner Eiseskälte zu entsprechen. Der ältere Künstler Lennart Salm kehrt widerwillig in seine Heimatstadt Hamburg zurück, weil seine älteste Schwester gestorben ist, und findet sich wieder mit der Familie konfrontiert, vor der er einst geflüchtet ist - dem Musterbruder und der alternden Hippie-Schwester, dem gebrechlichen Vater, der fernen, distanzierten Mutter. Lennart ist innerlich erstarrt, die Stimmung kalt und dunkel, trotzdem ist "Über den Winter" ein typischer Buchpreis-Favorit: problematisches Familienleben, mit ein bisschen Gesellschaftskritik. SIM
(c) Carl Hanser Verlag
Die Zeit der Tudors in England ist das Raster für Inger-Maria Mahlkes Roman, der die winzige, bucklige Mary Grey zur Protagonistin hat. Diese adelige Dame wurde von ihrer Cousine, Königin Elizabeth I., nahe London unter Arrest gestellt. Ihr Vergehen: Sie hatte geheiratet, ohne die Majestät um Erlaubnis zu bitten. Mary führt ein Tagebuch, erzählt eine wilde Familiengeschichte aus Zeiten brutaler Machtkämpfe, sie beobachtet die Umwelt kalt und genau. Mahlke, die 1977 in Hamburg geboren wurde, 2012 in Klagenfurt den Ernst-Willner-Preis gewonnen hat, sagt, sie habe sich für dieses Buch historischen Stoff literarisch angeeignet. NORB
(c) Berlin Verlag
Einige Topmanager unserer Tage sind die Protagonisten dieses umfangreichen Romans des 1956 in Krefeld geborenen Autors: Waren Finanzjongleure wie Sylvester Lee Fleming und Jochen Brockmann, längst in der Mitte des Lebens angelangt, in jungen Jahren tatsächlich überzeugte Linke, die die Welt verändern wollten? Inzwischen, noch vor der Weltwirtschaftskrise seit 2008, lenken solche Leute gewaltige Geldströme. Das Jagdgebiet dieser Zyniker, an deren Bewusstseinsströmen der Leser teilhaben kann, ist grenzüberschreitend, global, ihr stärkster Verbündeter ist angeblich der Zufall. An ihm aber leiden sie denn auch. NORB
(c) S. FISCHER
Ein literarisches Liebesmahl findet hier im Kopf der Erzählerin statt, mit zwölf Geliebten, die heißen wie die Apostel. Die Erzählerin erfährt vom Selbstmord einer alten Liebe, ruft Erinnerungen an frühere Geliebte wach: wie Andreas seine schöne Lippe durch einen Rattenbiss verlor, oder ein Fremder sie nachts, von Undine erzählend, am Friedhof herumführt. Eine Liebe geht in die andere über, eine bleibt in der anderen - und dieses "Eins ins Andere" und "Eins im Andern" wird hier zur Form. Deswegen wirkt dieser wie dahinfließende Roman auch so stimmig. Und über allem Großmutters Wort: "Die Liebe sucht man sich nicht aus, mein Herz." SIM
(c) Droschl
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