Sprache: Wie Österreich mit Worten kost

(c) Marin Goleminov
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Von Gackili bis Bärlikran reichen die Kosenamen der Österreicher, zeigt Sprachwissenschaftler Rudolf Muhr: über kuriose und brutale heimische "Herzenswörter".

Schatzibuh und Schatzibäh, Schatziputz und Schatzi Pups, Schatzespatz und Schatzimaus – oder nur Mausi, Mauserl, Mäuschen, Mausebär, Mausmaus . . . Das sind einige der Lieblingskosewörter der Österreicher. Weil Schatz und Schatzi doch schon etwas abgegriffen ist, fügt man gerne was Individuell-Intimes an, man will offenbar beides, das Traditionelle und Originelle.

Aber immer noch sind Schatz und Schatzi die beliebtesten Kosenamen der Österreicher, erfährt man aus dem Buch „Die Herzenswörter der Österreicher“. Zugleich aber seien die Österreicher sehr kreativ, wenn es um Kosenamen geht, meint der Grazer Sprachwissenschaftler Rudolf Muhr. Von Bärlikran (weil man den Partner morgens aus dem Bett zieht) bis Bärlischwan (weil der andere sich im Bett einrollt), von Bussinator bis Schnauzi oder Schnaunimau, von Furzi bis Gackili sei offenbar „im Reich der Liebe alles möglich und erlaubt“, sei es noch so kindisch oder für Außenstehende lächerlich.

Eben dieser Umstand, dass intime Kosewörter außerhalb einer Beziehung leicht peinlich und jedenfalls „unseriös“ wirken, ist vermutlich auch der Grund dafür, dass Sprachwissenschaftler um dieses Thema einen Bogen machen. Sowohl in Österreich als auch anderen Ländern gab es bis vor Kurzem kaum wissenschaftliche Untersuchungen dazu. Rudolf Muhr, der langjährige begeisterte und begeisternde Erforscher des österreichischen Deutsch, hat sich zum Glück nicht geschämt, in diesen sprachlichen Intimbereich der Österreicher einzudringen. Sein Buch beruht auf einer Online-Erhebung, die er 2014 gemeinsam mit Studenten durchgeführt hat. Mehr als 350 Menschen haben die anonymen Fragebögen beantwortet – und darin 1270 Kosenamen genannt.

Tiere, Tiere und nochmals Tiere: Warum Menschen geliebte Personen gar so gern vertierlichen, erklärt Muhr nicht. Jedenfalls ergibt sich aus den Daten eine klare zoologische Beliebtheitsskala: Platz eins belegt die für Frauen verwendete Maus (Männer werden etwa zu Mäuserichen oder Mausebären), Platz zwei der Hase (bis hin zu Mr. Hase oder Osterhasi), Platz drei der Bär, Platz vier der Spatz. Gern werden diese Tiere auch miteinander gekreuzt, zu Hasimausi etwa oder Hasibär.

Ein Anglizismus auf dem 5. Platz

Wenn es um Kosenamen geht, neigen die Menschen eindeutig mehr zum Regionalsprachlichen als in weniger gefühlsbeladenen Lebensbereichen. So ist das in Deutschland sehr beliebte Mäuschen in Österreich immer noch verhältnismäßig selten zu hören – beliebter sind etwa Mausi, Mauserl, Mäusl oder Mäusele. Schnuck- und Schnuff-, auch diese Silben spielen eine wichtige Rolle (Schnucki, Schnuckiputz, Schnuffi, Schnuffelchen etc.). Baby und davon abgeleitete Wörter belegen Platz fünf, Liebling nur Platz neun, Liebste und Liebster Platz 15.

Welche Kosenamen verwenden eigentlich Zuwanderer? Auch hier sind Tiere beliebt, aber zum Teil andere als traditionell in Österreich. Serbische Befragte gaben etwa lane moje an (mein Rehlein), pile (Küken) oder buba – das eigentlich Käfer bedeutet, aber auch als Ableitung von Bub verstanden werden kann.

„Herzenswörter“, das sind für Muhr aber auch österreichische Wörter, die den Menschen besonders am Herzen liegen. In seinem Buch präsentiert er eine kommentierte Auswahl aus jenen 1200 Wörtern, die Menschen aus ganz Österreich 2014 im Rahmen einer Aktion der Zeitschrift „News“ eingesandt haben: Wörter, die ihrer Meinung nach nicht verloren gehen sollten. Das wunderbare tirolerische Abneidln (liebkosen, Wange an Wange reiben) ist ebenso darunter wie der Amuahadscha (Amourhatscher, ein langsamer, romantischer Tanz), das Querbrodn (Dazwischenfunken in Liebesbeziehungen) oder das zärtlich-ironische Zwutschgerl.

Wenig verwunderlich auch, dass die Rauschkugl (für einen schwer Betrunkenen) zum geliebten österreichischen Spracherbe gezählt wird, oder das Dschoppalwossa (alkoholfreies Getränk). Bei der Braden (der früher von Eltern oder Lehrern verpassten Ohrfeige) oder dem Okragln (jemandem an den Kragen gehen, umbringen) ist das schon eher erstaunlich. Aber auch diese „Herzenswörter der Österreicher“ zeigen, was Dialekt kann wie keine Hochsprache – und zwar nicht nur bei Kosenamen: mit Lauten Gefühle malen; die schönsten und die schlimmsten.

„Die Herzenswörter der Österreicher“ von Rudolf Muhr ist im Amalthea Verlag erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2015)

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