Wie sieht der Unheilige Geist aus? Wie eine Stadttaube

Stadttauben
StadttaubenClemens Fabry
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Autoren wie Houellebecq, Süskind oder Koeppen wenden das Symbol der Taube ins Dunkle, Beängstigende.

Was soll uns die Taube auf dem Cover von Houellebecqs Roman „Unterwerfung“ sagen? Ihr Blick ist scharf, der Schnabel auch. Fast gefährlich wirkt sie hier, eher wie ein Habicht, wie ein Raubvogel im Taubengefieder. Dunkel ist sie, wie die Statue der Schwarzen Madonna im Wallfahrtsort Rocamadour, die der Held am Ende des Romans besucht. Über das Jesuskind, das diese unnahbare, gar nicht zärtlich wirkende Maria auf ihrem Arm hält, heißt es im Roman: „Seine Abgeklärtheit und der Eindruck von spiritueller Macht und unantastbarer Kraft, den er erweckte, waren beinahe Furcht einflößend.“ Nein, dieser kleine Jesus wirkt nicht wie ein sanfter Friedensbringer, zu ihm passt keine weiße Taube. Höchst ambivalent, wie diese Taube, erscheint die Religion in Michel Houellebecqs viel diskutiertem Roman, der ein islamisiertes Frankreich der nahen Zukunft imaginiert. Eine dunkle Macht ist sie, gefürchtet und – angesichts der „dekadenten“ Gegenwart – zugleich ersehnt. Auch der Erzähler kann sich ihrer Faszination nicht entziehen. Aber mit der zarten, meist weißen Taube, die im Christentum ein so beliebtes Symbol für den Heiligen Geist geworden ist, hat diese dicke Stadttaube wenig zu tun.

Immerhin noch mehr als eine Dohle. Solche lässt die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff in ihrem neuen, noch nicht erschienenen Roman herumflattern, wenn sie von einem neuen Pfingstwunder erzählt: Wissenschaftler auf einem Kongress in Rom beherrschen da plötzlich sämtliche Sprachen ihrer Kollegen. Sie halte es lieber mit diesem „unholden Gevögel“ als Flugbegleiter, sagte sie, und wolle eine „leicht spöttische Abkehr von der Friedenstaube versuchen“. Das passt zu Houellebecqs Roman ebenso wie zu Lewitscharoffs Kritik an einer Religion als „Seelenmassage light“, in der keiner mehr von Sünde und Strafe rede.

Bibelkonform ist, was Pfingsten angeht, streng genommen ohnehin weder Taube noch Dohle. In der Pfingsterzählung kommt keine Taube vor, der Evangelist Matthäus lässt sie stattdessen bei Jesu Taufe im Jordan herabflattern. Erst seit dem Barock wurde sie zum beliebtesten Symbol für den Heiligen Geist. 1745 verordnete Papst Benedikt XIV., auf kirchlichen Bildern sei der Heilige Geist als Taube abzubilden.

„Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen! es grünten und blühten Feld und Wald“, beginnt Goethes Epos „Reineke Fuchs“. Ob Georg Kreisler auch ein wenig an Pfingsten und Pfingsttauben dachte, als er boshaft „Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau, gehn wir Tauben vergiften im Park!“ sang? Da muss der Mensch vor sich selbst Angst haben; und das tut er eigentlich auch in Patrick Süskinds Novelle „Die Taube“, wo diese zum Symbol für das Chaos des Lebens und die Angst davor wird. Eine Taube in seiner Wohnung verstört den als Kind traumatisierten und neurotischen Helden so sehr, dass er vermummt mit einem Koffer das Weite sucht.

„Die Vögel sind zufällig hier, wir sind zufällig hier, und vielleicht waren auch die Nazis nur zufällig hier“, heißt es in Wolfgang Koeppens Roman „Tauben im Gras“. „Vielleicht ist die Welt ein grausamer und dummer Zufall Gottes.“ Inspiriert zum Buchtitel haben ihn gar nicht so düstere, eher verspielte Zeilen aus Gertrude Steins lyrischem Drama „Four Saints in Three Acts“: „Pigeons on the grassalas. Pigeons on the grass alas . . .“ Stein schrieb sie 1927, Koeppen seinen Roman nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Tauben in der Literatur werden eben immer dunkler.

Taube als Symbol

Heiliger Geist. Er wird am weitaus häufigsten als Taube dargestellt. Ursprung des Symbols ist die Erzählung der Taufe Jesu bei Mt.

Friedenstaube. Noah schickt nach der Sintflut eine Taube aus, sie kommt mit einem frischen Ölzweig zurück – als Friedenszeichen.

Turteltaube. Tauben turteln gern, und sie sind monogam, das machte sie zu Symbolen der Liebe, aber auch der Unschuld und Treue.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2016)

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