Der Metzger und der tote Fleischer

Der Mann hinter dem Metzger: der Wiener Autor Thomas Raab.
Der Mann hinter dem Metzger: der Wiener Autor Thomas Raab.Simone Heher-Raab
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Ein eitler Literaturkritiker, ein toter Wursthersteller und brennende Reclamhefte: Thomas Raab legt nach drei Jahren einen neuen Metzger-Krimi vor. Das Warten hat sich gelohnt.

Den Metzger geht diesmal unter die Fleischhauer. Unfreiwillig wie immer, natürlich. Als sich der Metzger nämlich an einem quälend heißen Tag um ein Würstel beim Bio-Nobel-Würstelstand vom Zawodnik anstellt, wird er nicht nur Zeuge, wie der bekannte Literaturkritiker mit dem wunderbar eitlen Namen Miguel Maria Hofer von einem Lieferwagen über den Haufen gefahren wird. Ebendieser Lieferwagen, der auch noch in Zawodniks Würstelstand rast, gehört dem Wurstkaiser der Stadt, dem Heinz Woplatek, der, großes Ego, große Eitelkeit, sich ständig auf diversen Society-Events blicken lässt.

Blicken ließ. Denn kurz nach dem Würstelstand-Crash hängt der Woplatek tot in der Selchkammer. So scheidet man eher nicht freiwillig aus dem Leben. Und das interessiert ihn dann doch, den Metzger, Hitze hin, die ihm eigene Behäbigkeit her. Auch, weil er sich früher um den Sohn vom Woplatek, den Hansi, gekümmert hat, der lieber Schriftsteller als Fleischhauer geworden ist. Da forscht der Metzger ein bisschen nach, in der Fleischer- und vor allem in der Literaturszene.

So beginnt er, der neue Krimi von Thomas Raab, in dem der Wiener Autor seinen übergewichtigen Willibald Adrian Metzger in sein siebentes Abenteuer schickt und zunächst einmal überrascht, denn: Dem Metzger, der stets einen aussagekräftigen Titel hatte („Der Metzger sieht rot“, „Der Metzger holt den Teufel“), ist ebendieser abhandengekommen. Der neue Metzger-Krimi heißt schlicht: „Der Metzger“. Punkt.

Selbstironie. Sonst aber ist, die Anhängerschaft des grantelnden Restaurators darf beruhigt sein, alles beim Alten geblieben, mindestens. Raab hat sich, nachdem er im Vorjahr mit dem Metzger-freien „Still“ einen großen, ernsthaften Roman vorgelegt hat, auch für den Metzger eine ungewöhnlich komplexe und raffinierte Handlung ausgedacht. Zwischen Metzgers Ermittlungen in der Literaturbranche, über die sich Raab – eitle Autoren, noch eitlere Kritiker – wunderbar lustig zu machen versteht (durchaus selbstironisch auch über Krimiautoren und ihre Leser), streut er Kapitel aus einem anderen Buch ein, in dem der Protagonist einen Rache-Thriller liest und sich so zu grausamen Morden inspirieren lässt. Ein Buch im Buch im Buch also, dessen Inhalt, mehr sei nicht verraten, Parallelen zur Haupthandlung zeigt.

Auch wenn Metzgers Abenteuer schon bisher durchdacht waren: Dass man der Auflösung diesmal mehr als sonst entgegenfiebert, überrascht insofern, als man einen Raab-Krimi vor allem des unverwechselbaren Stils, der Wortwitze, der feinen, treffenden Gesellschaftskritik, des schrägen Humors wegen gelesen hat. (All das gibt es, keine Sorge, immer noch.) Eine urösterreichische Art des Krimischreibens, die sich selbst nicht zu ernst nimmt und die man etwa auch von Wolf Haas oder Rainer Nikowitz kennt.

Wer letztendlich der Täter ist, welche Motive er gehabt haben mag, all das ist in dieser Art Krimi mit ihren so amüsanten wie wahnwitzigen Handlungssträngen sonst eher zweitrangig. Diesmal aber bleibt es spannend fast bis zur letzten Seite. Und dann kommt, als Epilog quasi, der Prolog auf den nächsten, den achten Metzger. Und der hat wieder einen echten Metzger-Buchtitel. Und was für einen.

Neu Erschienen

Thomas Raab
„Der Metzger“
Droemer Verlag
336 Seiten
20,60 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2016)

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