Kontroverse

Der große Autor und grausige Antisemit Céline

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Antisemitische Pamphlete des Autors Louis-Ferdinand Céline sollen in einem berühmten Verlag erscheinen. Es gibt heftigen Protest.

In geiferndem Hass ruft einer zu Pogromen und zur Vertreibung aller Juden auf. Ist es zulässig, antisemitische Pamphlete, die der französische Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline in der Zeit von 1937 bis 1941 verfasste, heute neu herauszugeben? Gallimard, einer der renommiertesten französischen Verlage, hat das vor. Die Proteste dagegen haben sogar die Politik auf den Plan gerufen.

Für Werke wie den 1932 veröffentlichten Roman „Reise ans Ende der Nacht“ wird der Misanthrop Céline verehrt, sein 50. Todestag 2011 war in Frankreich ein nationaler Festakt. Zugleich gehört der Rassist und Hitler-Fan Céline zu den umstrittensten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Im Vergleich zu heute verfolgten rassistischen Äußerungen sei Céline eine „Atombombe“, sagt der für seine Verfolgung von NS-Tätern bekannte Serge Klarsfeld.

Es geht um drei Texte, die Céline in der Zeit von 1937 bis 1941 veröffentlicht hat. Darin zählt er fast alle, die ihm zuwider sind (von Racine bis zum Papst), zu den Juden und macht diese für ziemlich alles verantwortlich, was ihm zuwider ist. So extrem sind die Texte, dass Zeitgenossen darin sogar eine Satire vermuteten (was Céline gar nicht gefiel).

„Bagatelles pour un massacre“, das 1938 in deutscher Kurzform erschien („Die Judenverschwörung in Frankreich“), handelt nicht nur von den Juden, der Autor schreibt hier aber zum ersten Mal offen antisemitisch. Noch schlimmer liest sich „L'école des cadavres“, wo Céline für ein von parlamentarischer Demokratie, Juden und Freimaurern befreites, mit den Nazis paktierendes Frankreich eintritt. In „Les Beaux draps“ schließlich fordert er die Vertreibung der in seinen Augen am Krieg schuldigen Juden nach Palästina und ein im Frieden geeinigtes Europa.

Das Ja der 105 Jahre alten Witwe

Unklar ist auch, warum Célines Witwe, die immer betont hatte, man müsse diese Texte vergessen, nun mit 105 Jahren der Veröffentlichung zustimmt. Sie habe eben ihre Meinung geändert, erklärte ihr Anwalt.

Mit dem Verkauf der Pamphlete in den Buchhandlungen diskreditiere man den Kampf gegen den Antisemitismus, protestiert Serge Klarsfeld. Der Frankreichs Premier unterstellte Antirassismus-Beauftragte hat Verlagsleiter Antoine Gallimard vorgeladen, die Regierung will allerdings nur sicherstellen, dass Célines Texte wissenschaftlich seriös kommentiert werden. Zu diesem Zweck wurde auch das Erscheinungsdatum (ursprünglich Mai 2018) verschoben.

Wie 2016 im Fall der kritischen Ausgabe von „Mein Kampf“ können Befürworter der Veröffentlichung aufs Internet verweisen: Wer will, kann die Texte auch so lesen. Sie seien die Veröffentlichung nicht wert, wandte hingegen in der Zeitung „Le Figaro“ (Montag) der Philosophieprofessor Robert Redeker ein. Noch die schrecklichsten Texte Sades seien Literatur, Célines Pamphlete dagegen im Unterschied zu anderen seiner Werke literarisch wertlos: „Er schreibt nicht, er spuckt.“

Doch auch hier können Befürworter dagegenhalten: Selbst dies „Gespuckte“ sei nun einmal Teil des Gesamtwerks und trage bei zum Verständnis von Céline, dem Schriftsteller.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2018)

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