Zehnfacher Rücktritt wegen Gedenkstreit in Frankreich

Der 1951 verstorbene monarchistische Schriftsteller Charles Maurras war zu Lebzeiten eine zentrale Figur der französischen Rechten und wird auch heute von Teilen der Neuen Rechten geschätzt.
Der 1951 verstorbene monarchistische Schriftsteller Charles Maurras war zu Lebzeiten eine zentrale Figur der französischen Rechten und wird auch heute von Teilen der Neuen Rechten geschätzt.(c) APA/AFP/STRINGER
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Soll das Land des antisemitischen Autors Charles Maurras gedenken?

Was heißt gedenken? Feiert ein Land eine Person, indem es ihrer gedenkt? Fragen, die auch für Österreich interessant sind, haben in Frankreich einen Historikerstreit ausgelöst. Und das Hohe Komitee für nationale Gedenkveranstaltungen gegen die französische Kulturministerin, Françoise Nyssen, aufgebracht. Diese hatte nach Protesten den Namen des französischen Schriftstellers Charles Maurras von der diesjährigen nationalen Gedenkliste streichen lassen. Zehn der zwölf teilweise sehr prominenten Mitglieder des Komitees traten am Mittwoch aus Protest zurück – und kritisieren ein Klima von Zensur und Autozensur.

Der 1951 verstorbene monarchistische Schriftsteller Charles Maurras war zu Lebzeiten eine zentrale Figur der französischen Rechten und wird auch heute von Teilen der Neuen Rechten geschätzt. Biologisch oder religiös fundierten Antisemitismus lehnte er ab, er war aber für Einschränkungen der Rechte von Juden.

Im gegenwärtigen Streit geht es jedoch nicht nur um die Bewertung seines Werks. Das Wissen um die intellektuellen und politischen Bewegungen der extremen Rechten in der III. Republik sei wichtig, Gedenken (französisch „commémorer“) bedeute nicht feiern, schreiben zwei der zurückgetretenen Historiker, darunter der einstige Direktor der Französischen Nationalbibliothek, Jean-Paul Jeanneney. Tatsächlich wurde die Gedenkliste 2011 nach einem Streit um den Autor Louis-Ferdinand Céline umbenannt, um eben diesen Unterschied deutlich zu machen. Damals ersetzte man das Wort „Feierlichkeiten“ („célébrations“) durch „Gedenken“. (sim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2018)

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