Daniela Emminger: Schafsuppe zum Frühstück

Daniela Emminger folgt gern ihrer Lust, Neues auszuprobieren.
Daniela Emminger folgt gern ihrer Lust, Neues auszuprobieren.(c) Clemens Fabry
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Autorin Daniela Emminger erzählt in ihrem versponnen neuen Roman vom Leben in Kirgisistan – und hat dafür selbst viele Monate dort verbracht.

Schaf sollte man tunlichst mögen – immerhin kommt es schon morgens in Form von fetter Schafsuppe daher. Und auch sonst ist das Leben in Kirgisistan etwas gewöhnungsbedürftig. Genau das Richtige also für Daniela Emmingers Protagonistin, die in „Kafka mit Flügeln“ aus ihrem alten österreichischen Leben flieht, auf der Suche nach einem alten Freund und einem neuen Selbst.

Sie arbeite immer so, dass sie zuerst ein Thema habe, sagt Emminger. Im konkreten Fall waren die Stichwörter: „Verlorenfühlen, Verwandlung, Lost in Translation. Also musste ich wohin, wo mir das passiert.“ In Zentralasien, so die Überlegung, war sie bis dahin noch nie; die Bilder, die im Internet zu Kirgisistan auftauchten, hatten sie in der Sekunde beeindruckt: Die Landschaft mit ihren Hochgebirgsseen, den Schneeleoparden und 7000-Meter-Gipfeln, die Nomaden, die auf die hoch gelegenen Sommerweiden ziehen. „Ein karges Steppendasein, eine unglaubliche Weite“, schildert Emminger und wundert sich ein wenig über sich selbst. „Ich weiß nicht, warum ich so naturaffin geworden bin. Ich glaube, es hat ein bissl mit dem Alter zu tun. Diese Stifter'schen Sachen haben mich früher nicht interessiert.“ Aber wenn man am kirgisischen Gebirgssee vor der Kulisse der majestätischen Berge „als kleines Punkterl in der Landschaft sitzt, macht das mit einem ganz viel“.

Mit Nomaden in der Jurte

Letztlich habe sie sich wohl in das Land verliebt, auch wenn sie dort „als emanzipierte Europäerin überhaupt nicht leben könnte“ – und da müsse man gar nicht erst vom Frauenraub sprechen, der hier immer noch praktiziert wird. Wenn sich Emmingers Protagonistin zunächst langsam in Bischkek akklimatisiert, deckt sich das jedenfalls mit den Erkundungen der Autorin. „Es gibt über Bischkek überhaupt keine aktuellen Unterlagen oder Informationen.“ Nur eine Dissertation, doch auch diese ist zehn Jahre alt. So erforschte sie selbst die Stadt, erlebte die Hitze und die Stromausfälle, lernte langsam die historisch introvertierten Menschen kennen. Und fragte sich selbst manchmal durchaus: „Emminger, was machst du da?“

Aber natürlich schaffe man es, auch allein am gefühlten Ende der Welt. Im Sommer 2015 war sie zum ersten Mal nach Kirgisistan gereist, zwei weitere Aufenthalte folgten. Sie wohnte mit Nomadenfamilien in deren Jurte, drehte tagsüber Bällchen aus Stutenmilch. Verständigen konnte sie sich nicht. „Man schaut einfach zu und versucht zu kopieren.“ Letztlich sei sie in Kirgisistan zum Teil auch sehr einsam gewesen, allerdings „nicht negativ konnotiert: Man ist dann einfach ganz bei sich und der Geschichte.“ Wenn es um die Grundentwicklung ihrer Geschichten geht, muss sie ohnehin allein sein: Sieht selbst ihren Mann nicht, quartiert sich gern im Kloster ein.

Der aktuelle 500-Seiten-Roman ist das bisher umfangreichste Buch der Autorin. Zuvor war 2016 ihre Novelle „Gemischter Satz“ erschienen, eine „Suada an Assoziationen, in denen es um den Schreibfluss ging“. Gerade entsteht ein Prosa-Theaterstück über das Hitlerhaus. Schriftstellerin werden wollte sie schon mit 14 Jahren, aber im Dorf in Oberösterreich galt das nicht als Beruf. Sie wurde Werbetexterin, Marketingleiterin, veröffentlichte 2004 ihr erstes Buch. Erst seit „Schwund“ 2014 bezeichnet sie sich selbst als Schriftstellerin und lebt davon. „Für mich das Beste, was ich machen konnte. Es ist mein Sinn, hier zu sein.“

„Kafka mit Flügeln“ nun ist eine Mischung aus Freundschafts-, Reise- und Abenteuerroman, driftet – Geschmackssache – zwischendurch in Science-Fiction hinein. Die Handlung habe sich dabei während des Schreibens verändert, erzählt Emminger, sei verrückter geworden als geplant. Das sei wohl dem wilden Land und den absurden Dingen geschuldet, die sie erlebt habe, „das musste sich im Text widerspiegeln“. Dazu gehörte eine Gruppe von Schmetterlingsforschern, der sie sich angeschlossen hatte. Das Motiv des Schmetterlings als Symbol der Verwandlung sei dabei schon vorher da gewesen, „aber dass es so groß würde, habe ich nicht gewusst“.

Auch am angeblich am leichtesten zu besteigenden Siebentausender hat sie sich versucht. Sie habe es zwar nur ins zweite Basislager geschafft, aber das Erlebnis sei trotzdem „elementar“ gewesen, wie auch der Abstieg in die Keller einer berüchtigten Drogenklinik. „Da sieht man Dinge, die sonst nicht möglich sind.“ Letztlich habe sie der Roman auch selbst verändert. „Wenn man sich so tief in etwas hineindenkt, wird man selbst auch ein anderer.“

NEU ERSCHIENEN

Daniela Emminger: „Kafka mit Flügeln“, Czernin Verlag, 496 Seiten, 26 Euro

Eine Geschichte über „Suchen, Finden und Verlorengehen, über Genie und Wahnsinn, Freundschaft und Liebe“. Lesungen: 7. Mai um 19 Uhr in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, Herrengasse 5, 1010 Wien, 28. Juni mit Anna Herzig im Kulturverein Alte Schmiede.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2018)

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