Skandale geben immer gute Stories her

Pleiten, Affären, Verbrechen – diese Zutaten speisen ein neues Buch.

Kurt Tozzer und Günther Zelsacher haben schon vor Jahren die „Skandalrepublik“ trefflich geschildert. Nun also ein neues Kompendium von Affären, Pleiten und Verbrechen, die wir hautnah miterlebten. Für jüngere Generationen sind AKH, Noricum, Lucona, Intertrading, Konsum, Lainz nur noch vage Begriffe. Am ehesten werden wohl noch die Bawag-Affäre, der Buwog-Komplex und die Hypo Alpe Adria präsent sein. Verdienstvoll, dass der Autor im Vorwort auch das Wiener Krankenhaus Nord erwähnt, dessen Folgewirkungen wir noch nicht abschätzen können. Zwei Stadträtinnen sind daran gescheitert, die mit ihrem segensreichen Wirken der Gender-Ideologie wohl den denkbar schlechtesten Dienst erwiesen. Wie ein Schatten schwebt dieser Bauskandal auch über der Ära des Amtsvorgängers von Bürgermeister Michael Ludwig. Dass dies in den „Nachrufen“ auf Michael Häupl viel zu wenig thematisiert wird, ist ein trauriger Beweis für die Mentalität der Wiener SPÖ, auch der neuen Parteivorsitzenden.

Jüngere Leser werden es wohl kaum fassen, wie ein origineller Blender in den Siebzigerjahren Spitzensozialisten in seinen Bann ziehen konnte, von Heinz Fischer über Leopold Gratz bis Karl Blecha; wie er innige Bande zum adeligen Verteidigungsminister knüpfte. Ein Waffennarr, der schließlich wegen sechsfachen Mordes ins Gefängnis kam, wo er starb. Das Kapitel „Udo Proksch“ ist in Österreichs Nachkriegsgeschichte derart einmalig, dass es sich lohnt, die haarsträubenden Details nochmals in Erinnerung zu rufen. Ein sehr munteres Buch. Faszinierend. Leider.

Turbulente Konsumgeschichte

„Damit es nicht verlorengeht . . .“ ist eine lockere Folge von Publikationen, die einst Michael Mitterauer ins Leben gerufen hat. Der Verein Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen arbeitet am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Uni Wien sehr verdienstvoll. Diesmal geht es um heimische Konsumgeschichte aus hundert Jahren. „Sparen beginnt mit dem Zündholz“, hieß es in der Zwischenkriegszeit. Wie mühselig die unbedankte Arbeit der Hausfrauen war, skizziert das Kapitel über den wöchentlichen Waschtag mit Trog und Waschrumpel (unser Rechtschreibprogramm erkennt dieses Wort gar nicht mehr). Alle Arbeit im Haus blieb den Frauen, so auch das lebensnotwendige Einwecken mit Dampf und Einkochen – wahre saisonale Orgien. Dann zog der ausgewanderte Oberösterreicher Adolf Hitler ins Land, brachte Lebensmittelmarken und Bezugsscheine – und noch viel Schlimmeres. Als endlich alles in Scherben lag und die Millionen Toten von den elend Überlebenden fast beneidet wurden, konnte nur noch das Ausland helfen. Der Marshallplan brachte das zerbombte Land wieder auf die Beine. Es blühte der Schleichhandel, langsam ging es aufwärts. Und irgendwann, so in den Fünfzigern, konnte sich manch einer ein Puch-Motorrad kaufen. Man war angekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2019)

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