War Biene Majas "Vater" ein Antisemit?

Biene Majas Vater Antisemit
Biene Majas Vater Antisemit(c) APA (DPA Bernd W�stneck (Z1017 Bernd W�stneck)
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Literaturwissenschafter haben das Werk von Waldemar Bonsels untersucht: Einen Roman verteilte der "Biene Maja"-Erfinder an NS-Größen. Einige seiner Bücher waren auf dem Index der Nationalsozialisten.

Mit der Biene Maja und ihrem Freund Willi schuf Waldemar Bonsels zwei der bekanntesten Kinderfiguren, privat scheint der Autor hingegen dunkle Seiten gehabt zu haben. Literaturwissenschafter haben den wenig bekannten Autor und sein umfangreiches Werk nun genauer unter die Lupe genommen. Eines der Ergebnisse: Bonsels, darauf deuten zahlreiche Dokumente hin, war Antisemit.

"Unsere Leitfrage ist, ob wir diesen Autor wieder entdecken sollten, oder ob er und sein Werk zu Recht in Vergessenheit geraten sind", sagt der Literaturwissenschafter Sven Hanuschek von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Er forscht seit drei Jahren zu dem 1952 gestorbenen Bonsels und dessen Werk. Nazi-Vorwürfe habe es immer gegeben, systematisch habe sich aber bisher niemand damit befasst, sagt er. Seine vorläufigen Ergebnisse hat Hanuschek in dem Aufsatz "In einem unbekannten Land / Vor gar nicht allzu langer Zeit" zusammengefasst, der im April erscheinen soll.

"Dositos" an NS-Größen verteilt

Besonders ein Buch stach ihm ins Auge: Der Roman "Dositos" aus dem Jahr 1942. Bonsels veröffentlichte ihn selbst als Privatdruck in einer Auflage von 100 Exemplaren, die er mit persönlicher Signatur an Freunde und NS-Größen verteilte - darunter wohl auch Reichsinnenminister Wilhelm Frick.

"Der gewaltige und gewaltsame Anstoß, der auch auf diesem Gebiet durch Adolf Hitler in die Welt getragen worden ist, erschütterte nicht nur das Judentum, sondern naturgemäß zugleich alles, was in der christlichen Kirche am Judentum krankt", schreibt Bonsels im Vorwort zu diesem Roman, das er bei einer Neuauflage von 20.000 Exemplaren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter den Tisch fallen ließ. Dennoch löste das Buch auch ohne das Vorwort im Nachkriegsdeutschland eine kleine Antisemitismusdebatte aus. Bonsels vermutete dahinter - so schrieb er in einem Brief - gar eine jüdische Verschwörung.

Stiftung will Vorwürfe untersucht haben

Die Waldemar-Bonsels-Stiftung, die unter anderem die "Biene Maja"-Einnahmen verwaltet und von Bonsels Witwe ins Leben gerufen wurde, finanziert heute das Forschungsprojekt, an dessen Ende eine Ausstellung im kommenden Jahr stehen soll - pünktlich zum 60. Todestag Bonsels und zu 100 Jahren "Biene Maja".

"Wir als Stiftung möchten, dass die Vorwürfe gegen Bonsels gründlich untersucht werden", sagt der heutige Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Ralf Kirberg. Stiftungsgründerin Rosemarie Bonsels habe diese Arbeit jahrelang blockiert, sagt Forscher Hanuschek.
Am Donnerstag, dem 3. März, hat im Literaturhaus München eine interdisziplinäre Tagung zum Thema begonnen. Dabei soll es allerdings nicht nur um seine politische Gesinnung gehen, sondern um viele verschiedene Aspekte seines Werkes.

Werke auf dem Index

Der spannendste Aspekt aber bleiben die Verstrickungen Bonsels in die Nazi-Zeit. Die neuen Forschungsergebnisse zeichnen folgendes Bild: Hatte Bonsels im Jahr 1932 noch zwei SA-Männer nach einer Lesung herausgeworfen, die ihm vorgeworfen hatten, er wolle wohl Werbung für "die Juden" machen, trat er nach 1933 vor allem als Opportunist in Erscheinung, der in erster Linie verhindern wollte, dass er ins Exil gehen muss.

1935 standen Bücher von ihm auf dem Index, danach habe er beweisen wollen, "was er doch für ein guter Antisemit sei", schreibt Hanuschek. 1938 stand er nicht mehr auf dem Index, wie Hanuschek in Bonsels' 70-seitiger Bundesarchiv-Akte herausgefunden hat.

"Biene Maja" weitgehend unproblematisch

Nach Kriegsende habe sich aber gezeigt, dass Bonsels mehr war als das. Immer wieder versuchte er, seine Ansichten zu verteidigen, schreibt Hanuschek in seinem Aufsatz und bezeichnet Bonsels als "Unbelehrbaren". "Die "Biene Maja" ist weitgehend unproblematisch", sagt er. "Sie entstand noch vor der ideologischen Diversifizierung der Weimarer Republik und zu einer Zeit, in der Bonsels noch mit Juden befreundet war."

Eine Ausnahme gebe es allerdings: den finalen Kampf zwischen Bienen und Hornissen. Die Bienenkönigin schickt den Hornissen eine Botschaft, die zum Teil wortwörtlich mit der sogenannten "Hunnenrede" von Kaiser Wilhelm II. aus dem Jahr 1900 übereinstimmt. "Das ist schon heftig", sagt Hanuschek. "Und die ganze Schlacht, das ganze letzte Kapitel sehr "völkisch", noch im Sinn des Kaiserreichs".

(Ag.)

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