Gerhard Roth wird 70: "Leb' jetzt viel lieber als früher"

Gerhard Roth
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Gerhard Roth ist für sein schriftstellerisches Werk wie auch für seine in Reportagen, Essays und Interviews eingenommene klare politische Haltung ausgezeichnet worden. Am Sonntag wird er 70 Jahre alt.

Der österreichische Schriftsteller Gerhard Roth wird am 24. Juni 70 Jahre alt. Wie schon bei seinem letzten runden Geburtstag meidet der Autor größere Feierlichkeiten in seiner Geburtsstadt Graz oder an seinem Wohnsitz Wien und feiert lieber mit Freunden in seinem zweiten Wohnort in der Südsteiermark, jener Gegend, die er in vielen seiner Bücher festgehalten hat. Im Greith-Haus in St. Ulrich, wo seit kurzem eine Ausstellung seiner Fotos über die Gugginger Künstler zu sehen ist, gibt es am 23. Juni ab 20 Uhr ein Geburtstagsfest, an dem er begleitet von dem Pianisten Markus Schirmer aus seinen Werken liest.

Alles hat ein Ende

Mit 70 sei der Körper zwar anfälliger und regeneriere weniger rasch, aber "ich leb' jetzt viel lieber als früher, mir gefällt auf einmal der Alltag, der mich früher überhaupt nicht interessiert hat. Und jetzt gefällt mir alles ununterbrochen, Blattformen, der Wechsel der Jahreszeiten, Begegnungen mit Menschen, ein Sieg von Sturm Graz. Die Summe dieser Dinge gibt mir mehr Kraft als früher", sagte Roth in einem Geburtstags-Interview mit der "Kleinen Zeitung". "Ich sehe mein Ende nicht so drohend daherkommen. Das Kommen und Verschwinden hat etwas mit dem ganzen Universum zu tun, das ja auseinanderstrebt und eines Tages in sich zusammenbrechen wird. Alles ist mit einem Ende ausgestattet, warum soll es bei mir anders sein?"

Vielseitig und viel geehrt

Das umfangreiche Oeuvre Roths, der mit seinen Romanzyklen "Archive des Schweigens" und "Orkus" zwei zentrale Werke der österreichischen Nachkriegsliteratur geschaffen hat, ist jüngst durch zwei Bücher gewachsen, die die Vielseitigkeit seines Schaffens unterstreichen. In dem Band "Portraits" wurden Essays gesammelt, die Roth im Laufe der Jahrzehnte über Künstler und Politiker, Kollegen und Zeitgenossen geschrieben hat, in dem Fotobuch "Im Irrgarten der Bilder" ist eine Auswahl seiner Fotos der Gugginger Künstler erschienen. Gerhard Roths litararisches Werk wurde im Laufe seiner Karriere immer wieder ausgezeichnet, darunter 1992 mit dem Literaturpreis der Stadt Wien, 1994 erhielt er den Peter-Rosegger-Preis, 1995 eine Goldene Romy, außerdem ist er Träger des Goldenes Ehrenzeichen für die Verdienste um die Länder Wien und Steiermark.

Neues Buch in Arbeit

Dass Gerhard Roth parallel zu seinem schriftstellerischen auch ein umfangreiches fotografisches Werk geschaffen hat, ist an seiner langen Publikationsliste abzulesen. Fotos seiner Recherche-Reisen haben etwa in den Bänden "Über Land und Meer", "Atlas der Stille" oder "Im unsichtbaren Wien" umfangreiche Bilderzählungen ergeben, die seine Romane begleitet haben. Derzeit arbeitet Roth laut "News" an einem Roman mit dem Titel "Grundriss eines Rätsels", das von einem Schriftsteller handelt, "der im ersten Kapitel stirbt und im letzten wieder auftaucht". Das Erscheinen ist für Herbst 2013 oder Frühjahr 2014 geplant.

Mediziner, Programmiere, Theaterautor

Gerhard Roth wurde am 24. Juni 1942 in Graz geboren. Nach dem Willen seines Vaters, eines Arztes, studierte er ab 1961 in seiner Heimatstadt Medizin, brach das Studium jedoch 1967 ab. 1966 bis 1977 arbeitete er als Programmierer und Organisationsleiter im Grazer Computerrechenzentrum, um neben seiner literarischen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ab den frühen 1970er Jahren veröffentlichte er experimentelle Prosa (etwa 1972 "die autobiographie des albert einstein") und versuchte sich auch als Theaterautor ("Lichtenberg", "Sehnsucht", "Dämmerung").

Die "Archive des Schweigens"

Ein großzügiger Vorschuss des S.Fischer Verlags ermöglichte es Roth, sich ganz auf die Arbeit an den "Archiven des Schweigens" zu konzentrieren. 1980 erschien als erstes Buch "Der stille Ozean" (eine Verfilmung durch Xaver Schwarzenberger errang 1983 den Silbernen Bären der Berlinale). Mittelpunkt des aus den unterschiedlichsten literarischen Gattungen zusammengesetzten Zyklus, in dem Fiktion und (auch fotografische) Dokumentation ineinanderfließen, ist das 1984 erschienene 800-Seiten-Buch "Landläufiger Tod". 1991 wurde der Zyklus mit "Die Geschichte der Dunkelheit" abgeschlossen.

Attentatsversuch an Jörg Haider

Mit "Der See", dem Auftakt-Roman seines neuen Zyklus "Orkus", sorgte Roth 1995 für Aufregung in den Reihen der FPÖ, die in einem populistischen Politiker, auf den beinahe ein Attentat verübt wird, ihren damaligen Parteiobmann Jörg Haider wiedererkannte. Danach erweiterte Roth mit "Der Plan" (1998) und "Der Berg" (2000), "Der Strom" (2002) und "Das Labyrinth" (2005) seine Schauplätze um Japan, Griechenland, den Balkan, Ägypten, Wien, Madeira und Madrid. Es folgte der Essay-Band "Die Stadt", "Das Alphabet der Zeit" und schließlich 2011 mit "Orkus. Reise zu den Toten" ein großer Abschlussband, in dem Figuren und Motive aus beiden Zyklen verwoben, Erfundenes und Gefundenes, Dokumentarisches, Essayistisches und Fiktionales verschmolzen wurden.

"Jedes Wort ist eine Zelle meines Körpers"

"Mir ist eine Last vom Körper und vom Geist gefallen, aber die beiden Romanzyklen - meine 'Doppelhelix' - werden immer Teile von mir selbst bleiben", sagt Roth nach Beendigung seiner Arbeit. "Jedes Wort ist sozusagen eine Zelle meines Körpers geworden und jede literarische Figur eine prägende Erinnerung."

(Ag.)

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