Hugo Bettauer: Seelentröster, Sozialarbeiter, Skandalautor

Visionär, Erfolgsschriftsteller, Herausgeber eines Aufklärungsmagazins: Hugo Bettauer.
Visionär, Erfolgsschriftsteller, Herausgeber eines Aufklärungsmagazins: Hugo Bettauer.(c) ÖNB-Bildarchiv / picturedesk.co
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Der erfolgreiche, visionäre Romancier Hugo Bettauer kämpft während der 1920er-Jahre für Frauenrechte, gleichgeschlechtliche Liebe und gegen das Abtreibungsverbot. Der provozierende Publizist und hemmungslose Freigeist wird zum ersten namhaften Todesopfer des Nationalsozialismus in Österreich.

Wien Josefstadt. Lange Gasse 7. Hochparterre. 10. März 1925. Gegen 15 Uhr. Der Publizist Hugo Bettauer hält in den Redaktionsräumen seines Aufklärungsmagazins „Bettauers Wochenschrift“ eine der regelmäßigen Sprechstunden, seine „Seelenordinationen“, ab. An Tür 6 läutet es. Eine Sekretärin öffnet, ein kleiner, schlanker Mann mit blondem Schnurrbart und fanatischem Gesichtsausdruck, der 21-jährige arbeitslose Zahntechniker Otto Rothstock, stürmt in das Büro des Herausgebers und sperrt die Tür hinter sich zu.

Der rabiate rechtsradikale Dentist zieht eine Pistole, zielt zuerst auf den Arm Bettauers, „um ihn in Zukunft am Schreiben zu hindern“. Das Opfer versucht vergeblich, die Schreibtischlampe gegen den Attentäter zu schleudern, die nächsten drei Schüsse strecken ihn aus kürzester Entfernung nieder. Danach zerreißt Rothstock wie besessen alles, was ihm in die Hände kommt: Briefe und Bücher, Fotos und Manuskripte. Er lässt das „perverse Kloakentier“, sein blutüberströmtes Attentatsopfer, am Boden liegen, wartet gefasst, bis Polizeibeamte den Tatort erreichen und ergibt sich widerstandslos: eine Szene wie aus einem der Kriminalromane Hugo Bettauers.

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