Die »Tatort«-Kommissare im Visier

Tatort Kommissare Visier
Tatort Kommissare Visier(c) ORF (Marion von der Mehden)
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Die deutschen Grünen haben den Twitter-Account @TatortWatch ins Leben gerufen. Dort decken sie jeden Sonntagabend live Rechtsverletzungen im aktuellen Krimi auf. Auch Österreicher twittern mit.

Streng genommen war der Auftakt ein Reinfall. Bis auf ein paar fehlende Belehrungen von Verdächtigen über ihre Rechte war Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) auf der Suche nach dem Mörder des verbrannten Mannes äußerst korrekt vorgegangen. Dem Kieler Kommissar auf die Finger geschaut hat die Berliner Grün-Politikerin und Juristin Paula Riester für @TatortWatch. Ihr Job war an diesem Abend allerdings nicht besonders anspruchsvoll. Unter dem Motto „Dürfen die denn das?“ decken deutsche Grün-Politiker und Juristen seit drei Wochen auf Twitter Rechtsverletzungen im „Tatort“ auf.


Unkorrekter Ösi. Weniger korrekt verhielt sich eine Woche später der Wiener Tatort-Kommissar Moritz Eisner (Harald Krassnitzer): Er ermittelte im Kärntner Fall weiter, obwohl er eigentlich befangen war. Er brach Türen auf, ohne einen Hausdurchsuchungsbefehl zu zeigen, und befragte einen betrunkenen Mann, der laut @TatortWatch „definitiv nicht vernehmungsfähig“ war. Den Twitteraccount befüllten an diesem Abend zwei Österreicher, der Landessprecher der Grünen Wien, Georg Prack, und der Wiener Jurist und Blogger @papiertiger. „Wir wollen augenzwinkernd daran erinnern, was Polizisten dürfen und was nicht“, sagt Prack. Damit soll eine gewisse Sensibilität für Grundrechte entwickelt werden, umschreibt es Papiertiger in seinem Blog.

Die Aktion hat den Grünen in Deutschland durchaus Häme eingebracht. Ein „grünes Bevormundungsprojekt“ sei das, so ein CDU-Mann. „Spaßverderber!“, riefen andere. Der Kritik begegnen sie gelassen: Niemand sei gezwungen, @TatortWatch zu folgen. Tatsächlich ist die Zahl der 2500 Follower im Vergleich zu den bis zu elf Millionen Zusehern, die der „Tatort“ an manchen Sonntagen hat, verschwindend gering. Durchaus beachtlich ist, wie schnell der Twitter-Account schon am ersten Abend unter twitternden Tatort-Fans bekannt wurde: Als Kommissar Borowski den Fall gelöst hatte, hatte @TatortWatch bereits 1000 Follower.

Man wolle nicht bieder sein, sondern unterhalten, sagt Prack. Tweets zum Stuttgarter „Tatort“ vorigen Sonntag lesen sich dann etwa so: „Den Neuen seiner Frau in der Polizeidatenbank zu checken oder checken zu lassen, darf er nicht.“ Es kann jedenfalls nicht schaden, die eher realistisch anmutende Krimireihe „Tatort“ auf juristische Fehler zu durchleuchten. Dass die Grünen mit dem (natürlich grün gefärbten) Twitteraccount auch dezent Werbung für sich machen, kann ihnen niemand verbieten. awa

Jeden Sonntag, 20.15Uhr, parallel zum „Tatort“ auf ARD und ORF2.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2013)

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