»Das kostet mich ein müdes Lächeln«

Alfred Treiber
Alfred Treiber(c) Clemens Fabry/ Die Presse
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Stefan Ströbitzer hat den trimedialen Newsroom, in dem alle ORFler ab 2020 arbeiten sollen, mitgeplant. Er interviewt Alfred Treiber, der als langjähriger Ö1-Chef die Sorge der Mitarbeiter im Funkhaus vor dem Umzug nur zu gut versteht.

Wir sitzen in der Garage des ORF auf dem Küniglberg. Von hier aus wird in fünf Jahren Ö1 senden. Gemeinsam mit ORFIII, den Kultur- und Wissenschaftsredaktionen wird hier das neue kulturelle und intellektuelle Zentrum des ORF entstehen.

Alfred Treiber: Grundsätzlich, ohne irgendwelche Details zu kennen, bin ich der Meinung, dass es ein Wahnsinn ist, das Funkhaus als Standort aufzugeben, weil der Standort auch eine Marke ist, und das Funkhaus steht, auch wenn dort andere Sender dabei sind, natürlich für ein Kulturhaus, von der Architektur angefangen bis ins letzte Redaktionszimmer. So eine Kulturstätte aufzugeben ist meines Erachtens falsch. Trotzdem bin ich der Meinung, am Standort allein liegt es nicht, das muss nicht das kulturelle Ende bedeuten.

Das Funkhaus als Kulturveranstaltungsort bleibt ja erhalten. Was auf dem Küniglberg entsteht, ist ein multimediales Sendezentrum mit den ORF-Radios, dem Fernsehen, den Online-Redaktionen und dem ORF-Landesstudio Wien.

Es ist ja nicht so, dass wir uns nicht auf etwas Vernünftiges einigen könnten. Aber was ist denn der Witz von Ö1? Da gibt es die Treiber-Doktrin: „Wer in Zukunft nur mehr sendet, hat keine.“ Das heißt, dass Ö1 on air, off air und online etwas zusammenbringen muss, um neues Publikum zu bekommen. Das Radiokulturhaus funktioniert nur im Zusammenspiel mit dem Sender. Ich bezweifle, dass ein Kulturbrückenkopf ohne Sender in der Stadt funktionieren wird. Als Erstes wird das Kaffeehaus eingehen, der Shop sowieso. Das Orchester wird ein bisschen verloren sein, aber das wird es immer geben. Denn da sagt die Musikmafia: Das müssen wir uns leisten können. Ich sage aber, Ö1 müssen wir uns auch leisten können. Wenn ich höre, dass die Ersparnis dieses ganzen Zirkus zehn Millionen sind, dann kostet mich das ein müdes Lächeln. Solche Summen verjuxen unsere Bankkasperln in der Kaffeepause, das sind ja keine ehrlichen, nennenswerten Summen.

Letztens hab ich auf Ö1 von einer Mozart- Aufführung, dirigiert von Nicolaus Harnoncourt, gehört. Das wird zwar von Ö1 und ORF III übertragen, allerdings weder gemeinsam vermarktet noch produziert. In Zukunft könnte das gemeinsam gemacht werden.

Wenn das der gedankliche Hintergrund wäre, dann wäre ich sofort d'accord. Wir haben schon ganz etwas anderes erlebt: Wir haben sensationelle Direktübertragungen aus Salzburg gemacht und kein Schwein in der „ZiB“ hat darauf hingewiesen. Erst als ich mich aufgeregt habe, ist das öfter passiert, und mittlerweile machen sie es, ohne dass man sich aufregt. Natürlich ginge es nicht nur um diese Ankündigung, das kann schon noch einen Schritt weiter gehen.

Das wäre der Ansatz. Da unsere Kunden immer stärker verschiedenste Medien nutzen, sollten wir ihnen immer das beste Angebot liefern – in Kultur, Information, Sport und Unterhaltung –, egal, ob auf dem Smartphone, im Radio, online oder im Fernsehen.

Das ist auf keinen Fall falsch. Was wäre denn notwendig, dass es auf dem neuen Standort funktioniert? Erstens, dass es einen Ö1-Chef gibt, der versteht, worum es geht. Um die Mitarbeiter, die sind zurzeit völlig demotiviert. Weiters müssen alle wichtigen Abteilungen bis zum Ö1-Club an einem Ort konzentriert sein. Ich bin so weit optimistisch, dass ich sage: Ich vertraue dem Generaldirektor und den Leuten, die da mitplanen, dass sie den Wert von Ö1 so weit kennen, dass sie ihn bei Planungen berücksichtigen.

Ö1 bekommt demnächst einen neuen Chef oder eine neue Chefin, weil die bisherige in Pension gegangen ist. Als Projektleiter für das multimediale Medienzentrum würde ich sie oder ihn nach der Bestellung fragen: Was ist deine Vorstellung von Ö1 im Jahr 2020?

Wenn man den Falschen holt, braucht man ihn oder sie gar nicht fragen.

Was würdest du ihr oder ihm raten?

Die Weiterentwicklung meiner Doktrin. Es ist ein Faktum, dass Ö1 der erfolgreichste Kultursender Europas ist. Das Entscheidende ist jetzt, die Edelsteine nicht in eine Kiste mit Glasperlen zu werfen, sondern zu polieren. Und es geht darum, die hervorragenden Mitarbeiter neu zu motivieren. Man muss sagen: Was kostet das? Und dann aufhören, Erbsen zu zählen.

Klar sind der gemeinsame Standort und der multimediale Newsroom nicht primär ein Sparprojekt. Und trotzdem werden sich dabei Synergien ergeben.

Wenn man das mit Hirn und Fingerspitzengefühl macht, ist nichts dagegen zu sagen. Die Befürchtung, die ich habe: Für die Politiker ist das Fernsehen das Wichtigste. Die jeweiligen Parteien wollen ihre Sympathisanten ins Fernsehen bekommen. Das darf nicht dazu führen, dass die ganze Kultur und Ö1 ein Orchideendasein führen.

Apropos Vielfalt: Das Zusammenspiel zwischen den Senderchefs und den Info-Verantwortlichen in den ORF-Radios halte ich für beispielgebend. Die einen kennen ihr Produkt, und die anderen beherrschen ihr Fach. In diesem Wechselspiel der Kräfte entsteht immer das Beste. Einen zentralen Chefredakteur brauchen wir nicht.

Wenn du und die anderen, die hier entscheiden, das verstehen, dann bewahre ich mir einen Rest Optimismus, obwohl ich generell skeptisch bin.

Wir werden auch im Architektenwettbewerb die klare Vorgabe haben, dass du das Lebensgefühl und die Kultur von Ö1 atmen und spüren musst, wenn du Ö1 am neuen Standort betrittst. Und wenn du dann zu Ö3 gehst, dann musst du das auch merken, und das fühlt sich ganz anders an.

Dann habt ihr aber einen schwierigen Job. Das, was du mir jetzt einigermaßen überzeugend präsentierst, müsst ihr den Mitarbeitern vermitteln. Das ist sehr schwierig, weil die natürlich aufgrund der zum Teil nicht nachvollziehbaren Sparmaßnahmen – in der Ö1-Literatur sind etwa fünf Dienstposten gestrichen worden – skeptisch sind. Bei der Finanzierung, der Personalpolitik und bei der Organisation muss man das berücksichtigen.

Wir wollen jedenfalls Synergien heben, die Schlagkraft erhöhen, die Marken stärken und Vielfalt bewahren.

Dein Wort in des Stiftungsrats Ohr.

Zur Person

Stefan Ströbitzer
(*1966, St. Pölten) ist Jurist. Er begann seine journalistische Karriere bei den „NÖN“, war von 1994 bis 1997 freier Mitarbeiter beim ORF-Wien.

1997 wechselte er zu Ö3, wo er Info-Chef wurde. 2007 ging er zur „ZiB“ und wurde stv. Chefredakteur.

2010 wird er Radio-Chefredakteur. Seit 2012 ist er wieder beim Fernsehen, leitet die Programmentwicklung und ist als Projektleiter für die Konzeption des trimedialen Newsrooms verantwortlich. ORF

Zur Person

Alfred Treiber (*1944) kam 1966 zum ORF, machte für das neu gegründete Ö3 u.a. „Die Musicbox“ und gilt als Erfinder des Radio-Features. Ab 1987 Leiter der Abteilung Literatur und Feature. Von 1995 bis Mitte 2010 war er Ö1-Chef.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2014)

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