Kraut und andere Währungen für Medien

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Am Freitag steht fest, ob die deutschen Krautreporter loslegen dürfen. In Wien wird an diesem Tag über neue Finanzierungsarten im Journalismus beraten.

Abergläubisch sind die Köpfe hinter der Online-Journalismusplattform Krautreporter offensichtlich nicht. Hätten sie sonst einen Freitag, den 13., als Stichtag für ihr Projekt ausgewählt? Nur, wenn bis kommenden Freitag 15.000 Menschen zugestimmt haben, 60 Euro pro Jahr zu zahlen (und somit ein Startbudget von 900.000 Euro garantiert ist), wollen die 25 Reporter ihr Onlinemagazin starten – komplett finanziert von der „Crowd“ (Englisch für „Menge“, ausgesprochen wie das Deutsche „Kraut“). Fünf Tage davor muss man leider sagen: Das dürfte sich nicht einmal nur knapp, sondern einfach nicht ausgehen. Bisher haben sich nur halb so viele Unterstützer gefunden – bis Samstagmittag waren es knapp über 7400, zwei Tage davor und ein Unterstützungsfest in Berlin am Dienstagabend später sind es knapp 10.000. In deutschen Blogs und Zeitungen wurde das Projekt, bei dem durchaus bekannte Autoren wie der Medienjournalist Stefan Niggemeier, der Erfinder des sehr gewitzten Medienmagazins „V.i.S.d.P.“, Sebastian Esser, oder die ehemalige „Neon“-Schreiberin Theresa Bäuerlein an Bord sind, zuerst neugierig bestaunt, danach in Grund und Boden kritisiert. Die Reporter und ihre Themengebiete seien zu wenig divers, die Recherche-Ideen zu konventionell, die Webseite zu wenig ambitioniert, so der Tenor.


Journalistischer D-Day.
Just am Freitag, diesem journalistischen D-Day für die Krautreporter, wird sich in Wien eine ganze Konferenz um „Kraut“ und viele andere Zahlungsformen im Journalismus drehen. Das Forum für Journalismus und Medien (Fjum) organisiert den Media Innovation Day und hat dafür eine illustre Runde an Medienexperten eingeladen. Darunter ist mit Blogger und TV-Reporter Richard Gutjahr auch einer der Krautreporter. Vielleicht wird er gleich auf der Konferenz verraten, ob das noch was wird mit dem Krautjournalismus oder nicht.

Das Fjum hat den Konferenztag gemeinsam mit Ken Doctor, dem US-amerikanischen Experten für Nachrichtenökonomie, kuratiert. Der „Medien-Doctor“ ist ein brillanter Analyst des globalen Mediengeschäfts, auf seiner Webseite „Newsonomics“ untersucht er die Auf-und-ab-Bewegungen der Branche. Vorab sprach er mit der „Presse am Sonntag“ über das Ziel der Konferenz. Er kennt den österreichischen Medienmarkt, der sich aufgrund seiner Kleinheit und der Dominanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch kaum für neue Finanzierungsmodelle geöffnet hat. Das Argument der heimischen Verleger: Solange der ORF seine Inhalte im Netz gratis anbietet und neuerdings sogar manche seiner Inhalte, etwa in der TV-Thek, vermarkten darf, werden die Zeitungen nicht die Online-Rollbalken herunterlassen (also keine Paywalls einführen). Ken Doctor lacht. Diese Einstellung sei ganz typisch für europäische Länder: „Vor vier Jahren konnte man genau diesen Satz ständig in London hören.“ Seit die „Times“ 2011 ihre harte Paywall eingeführt hat, haben fast alle Tageszeitungen – bis auf den durch eine Stiftung finanzierten „Guardian“ – nachgezogen. „Es braucht immer jemanden, der vorangeht.“ Ken Doctor prophezeit Österreich ein Umdenken in der Paywall-Glaubensfrage in spätestens ein bis zwei Jahren. In den USA würden mittlerweile 46 Prozent aller Tageszeitungen ihre Webseiten gegen Bezahlung zugänglich machen.


Spende für das Firmenbuch.
Das Geschäftsmodell des Crowdfundings, dem die Krautreporter folgen wollen, sieht Ken Doctor aktuell als eines der aufstrebendsten, vor allem, wenn es mit einem Abo-Angebot kombiniert wird. Er rät den Krautreportern also zum Durchhalten: „Wenn der Journalismus gut genug ist, kann Crowdfunding funktionieren. Die Frage für mich ist nur, wie viele solcher Modelle nebeneinander Erfolg haben können.“ In Österreich hat bisher vor allem die Investigativplattform Dossier Erfahrungen mit Crowdfunding gemacht. Der Natur von Investigativgeschichten entsprechend, wollen die Journalisten rund um Florian Skrabal und Sahel Zarinfard nicht vorab offenlegen, an welchen Geschichten sie gerade arbeiten. Daher bitten sie etwa über die Plattform Respekt.net um Spenden für ganz konkrete Dinge wie einen Firmenbuchzugang, den sie für ihre Recherchen brauchen. Seit der Gründung von Dossier im Oktober 2012 sind insgesamt 25.000 Euro durch Crowdfunding in Form von Spenden und Mikropayment hereingekommen – das ist ungefähr ein Viertel aller Einnahmen von Dossier, sagt Sahel Zarinfard. Zurzeit bieten sie via Respekt.net ein Sommerseminar zu Investigativ- und Datenjournalismus an.

Ken Doctor weiß, dass Journalisten und Verleger das Glas eher halb leer als halb voll sehen. „Das ist ganz normal, schließlich ist es ihr Job, kritisch zu sein. Das sind sie also auch mit sich selbst.“ Nach Jahren, in denen die Printanzeigenerlöse gesunken sind, würde man jetzt aber erste Medienunternehmen wie die „New York Times“ sehen, die früh genug umgedacht haben und ihre Umsätze langsam wieder steigern können. Darüber müsse man reden – und über die unzähligen Möglichkeiten, Journalismus zu machen und damit Geld zu verdienen. Das „House of the Newsbusiness“ sei zuletzt schwer ramponiert worden, jetzt gehe es darum, es „Ziegel für Ziegel“ wieder zu errichten, so Doctor.


Hoodies und Co. Bei der Konferenz in Wien zu Gast sind u.a. der Grandseigneur unter den US-amerikanischen Journalismusprofessoren Philip Meyer, der schon 2004 in seinem Standardwerk „The Vanishing Newspaper“ das Aussterben der Tageszeitung für das erste Quartal des Jahres 2043 prophezeit hat. Ebenso John Paton, der Geschäftsführer des US-Zeitungskonzerns Digital First Media. Und Stefan Plöchinger, der Onlinechef der „Süddeutschen Zeitung“, dessen steiniger Weg in die Printchefredaktion in den vergangenen Wochen zu einer Debatte über die Gleichberechtigung von Print- und Onlineredaktionen geführt hat. Der Kapuzenpullover (oder „Hoodie“) gilt seither als scherzhaftes Symbol für den vermeintlich weniger formellen, weniger tief gehenden Onlinejournalismus. Interessant wird auch sein, was Rob Wijnberg und Ernst-Jan Pfauth erzählen, die beiden sind Gründer der niederländischen Abo-Webseite DeCorrespondent und könnten den Krautreportern vielleicht ein paar Ratschläge geben.

Termin

Das Fjum (Forum für Journalismus in Medien) kuratiert gemeinsam mit Newsonomics-Autor Ken Doctor (Bild) den Media Innovation Day in Wien.

Thema der englischsprachigen Konferenz: Business Models in Formation. Gäste sind u.a. Philip Meyer, Autor des Standardwerks
„The Vanishing Newspaper“, Süddeutsche.de-Chefredakteur Stefan Plöchinger,
Stern-Vize-Chefin Anita Zielina, die Gründer der niederländischen Abo-Webseite „De Correspondent“
u.v.m.

Wann? Freitag, 13.Juni, 9–19 Uhr
Wo? MQ, Barocke Suiten
Tickets: 550,– Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2014)

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