Frankreich: Fernsehen à la Berlusconi

(c) AP (Eric Feferberg
  • Drucken

Das öffentlich-rechtliche TV soll ab 2012 auf Wunsch von Präsident Sarkozy ohne Werbung auskommen. Gleichzeitig platziert er befreundete Journalisten im TV.

Ein Medienstar und eine Institution: Das ist Patrick Poivre d'Arvor, Sprecher der Hauptnachrichten des französischen Fernsehens TF1. Aber nicht mehr lange. Der 60-jährige Bretone mit schütterem Haar muss nach 20 Jahren TV-Nachrichten seinen Platz für die 41-jährige Blondine Laurence Ferrari räumen. Sie ist eine renommierte Journalistin und soll mit Ausstrahlung und Know-how die TF1-Informationssendung stärken, die zuletzt massiv an Einschaltquoten verloren hat. Nichts also wäre normaler als ein personeller Wechsel – und Generationenwechsel. „PPDA“, wie der Zwangspensionierte in Frankreich heißt, spricht von einer „politischen Kündigung“.

Denn die Tatsache, dass in den Wochen und Tagen zuvor Staatspräsident Sarkozy Ferrari als seine Wunschkandidatin für den Posten bei TF1 bezeichnet hat, macht die Nomination suspekt. Zu oft hatte sich Sarkozy in der Vergangenheit, als Minister, als Präsidentschaftskandidat und seit seiner Wahl ins Elysée, in die internen Angelegenheiten der Redaktionen eingemischt, manchmal direkt per Telefon oder indirekt dank seiner persönlichen Beziehungen zu den privaten Medienbossen Martin Bouygues, Arnaud Lagardère, Bernard Arnault, Vincent Bolloré und Serge Dassault, die zu seinem persönlichen Freundeskreis gehören. Diese zögerten nie, ihm einen kleinen Gefallen zu tun.

In Buchform erzählt z.B. der frühere Chef des Magazins „Paris Match“, wie er von Lagardère gefeuert wurde, weil er 2005 die Fotos von Sarkozys damaliger Gattin Cécilia an der Seite ihres Liebhabers (und heutigen Ehemanns) Richard Attias veröffentlichte.

Um Konflikte und Sanktionen zu vermeiden, die peinliche Proteste auslösen, zieht es Sarkozy vor, seine Leute zu platzieren. Sein Ex-Kampagnenleiter Laurent Solly wurde in die Generaldirektion von TF1 als Leiter der Satellitensender ernannt. Neuer Informationschef bei TF1 und dem Nachrichtenkanal LCI wurde dank wohlwollender Förderung ein Aktiv-Mitglied der Regierungspartei UMP, Jean-Claude Dassier.

Agentur soll PR-Meldung übernehmen

Sein Vorgänger Nicolas Beytout, ebenfalls erklärter Sarkozy-Anhänger, wurde Chef der von Bernard Arnault gekauften Wirtschaftszeitung „Les Echos“. Sarkozy teilte den Redaktionsmitgliedern den Namen ihres künftigen Redaktionsleiters vor allen anderen persönlich mit. Die Presseagentur Agence France Presse ersuchte er, die Regierungsmitteilung unredigiert zu übernehmen.

Weit einschneidendere Folgen aber hat sein Beschluss, dass die öffentlichen-rechtlichen Sender ab 2012 ohne Einnahmen aus der Werbung, aber auch ohne Erhöhung der Gebühren von 116Euro finanziert werden müssen. Den privaten TV-Unternehmen bewilligt er hingegen eine zweite Werbeunterbrechung in Spielfilmen. Als Generaldirektorin der Holding der öffentlichen Sender sähe er gerne Christine Ockrent, Gattin von Sarkozys Außenminister Bernard Kouchner.

Die neue Art der Finanzierung lässt die Beschäftigten des Öffentlich-Rechtlichen befürchten, dass sie künftig nur noch in pädagogischen, kulturellen oder regionalen Nischen arbeiten werden. Zeitungen und Opposition kritisierten Sarkozys Plan am Donnerstag als Angriff auf die Unabhängigkeit der Medien. Einige verglichen ihn mit Italiens Premier und Medienmogul Silvio Berlusconi.

800 Millionen Euro kompensieren

Wie von Sarkozy angeregt, schlug eine parlamentarische Kommission unter Leitung von UMP-Fraktionschef Jean-François Copé Mittwoch in einem Bericht vor, die Einnahmenausfälle von France-Télévision durch eine zusätzliche Besteuerung der Werbeeinnahmen der Privatsender sowie der Mobiltelefon- und Internetanbieter teilweise zu kompensieren. Dazu wären pro Jahr geschätzte 800 Millionen Euro nötig.

Fest steht: Direkt oder indirekt müssen die Konsumenten mehr fürs TV bezahlen. „Die Karten sind gezinkt. Unter dem Vorwand einer Reform der öffentlichen Sender werden die privaten Unternehmen gestärkt“, kommentierte die sozialistische Abgeordnete Aurélie Filippetti, die die Copé-Kommission unter Protest verlassen hat.

ZUR PERSON: L. FERRARI

Ende August soll die etablierte Moderatorin Laurence Ferrari die TF1-Hauptnachrichten übernehmen. Sie verklagte ein französisches Blatt, weil dieses berichtet hatte, Ferrari hätte eine Affäre mit Sarkozy gehabt – und bekam Recht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.