Zeitungsdesigner : „Die Zeitung macht uns offen für Entdeckungen“

(c) EPA (Maurizio Gambarini)
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Der renommierte Zeitungsdesigner Mario García über schlechte Bilder, Geschichten, die lang sind wie Tolstois „Krieg und Frieden“, und Wörter, die Zeitungsredakteuren Angst machen.

Die Presse: Der Wandel vom großen Broadsheet- zum kompakteren Tabloid-Format bestimmt derzeit den Zeitungsmarkt. Herr García, Sie sagten einmal, dass es in zwanzig Jahren kein Großformat mehr geben wird. Was sind die Gründe dafür?

Mario García: Das ist eine Frage von Stil und Komfort. Alles wird kleiner, vom Laptop bis zur Kamera – außer Passagierflugzeugen, man denke an den Airbus A380, und dem Flatscreen im Wohnzimmer. Aber: Die Menschen bevorzugen es, kleine Dinge mit sich zu tragen. Es ist einfacher, eine Zeitung in Bus oder Zug zu lesen, die handlich ist. Außerdem ist es wirtschaftlicher, denn weniger Papier bringt weniger Kosten mit sich.


Die Menschen haben immer weniger Zeit, auch zum Zeitunglesen. Sie brauchen kürzere, aufs Wesentliche reduzierte Artikel, große Bilder. Leidet darunter die Qualität der Zeitung?

García: Seit es Fotos gibt, waren sie immer ein wichtiger Bestandteil der Zeitung. Bestes Beispiel dafür ist das „Life Magazine“ gewesen. Leser unterschiedlichen Alters und Intellekts bevorzugen ein gutes, großes Foto. Unvorteilhaft ist nur, wenn ein schlechtes Foto groß präsentiert wird. Mit Geschichten verhält es sich nicht anders: Eine gute Geschichte kann so lang sein wie Tolstois „Krieg und Frieden“, eine schlechte Geschichte sollte gar nicht erst gedruckt werden, und wenn doch, bitte kurz.


Und das Layout?

García: Das Layout, also die Übersichtlichkeit einer Zeitung, hat eher mit Design zu tun, das den Leser von Artikel zu Artikel, von Seite zu Seite führt. Das ist der wichtigste Aspekt im Zeitungsdesign.


Wie sehen Sie die Entwicklung von Online-Zeitungen im Vergleich zu klassischen Printmedien?

García: Das sind zwei völlig verschiedene Medien, die wiederum zwei Lesearten verlangen. Erstens bewegen sich unsere Augen am Bildschirm horizontal, am Papier eher diagonal. Zweitens ist der Leser oft durch die vielen Titel und Bilder einer Zeitungsseite verwirrt. Am Bildschirm kämpfen nicht so viele Faktoren um unsere Aufmerksamkeit, da seine Fläche kleiner ist. Ich denke, wir sind selektiver und fokussierter, wenn wir online lesen. Wir klicken auf eine Überschrift und lesen ausschließlich den Artikel darunter. Sonst nichts. Auf der gedruckten Seite haben wir die Auswahl aus mehreren Artikeln. Dadurch sind wir offener für Entdeckungen und werden leichter überrascht, was ich bei Zeitungen als sehr schön empfinde.


Trotz der positiven Aspekte des handlichen Formats steigen nicht allzu viele Zeitungen auf Tabloid um. Viele Chefredakteure fürchten einen Verlust an kulturgeschichtlicher Tradition, Glaubwürdigkeit oder Qualität.

García: Ich bin sicher, dass sie von diesem Gedanken abkommen werden und umsteigen. Bitte sagen Sie nicht „Tabloid“, das verschreckt die Redakteure, sagen Sie „Compact“. Und wenn wir schon beim Thema Angst sind: Mit dem Führungswechsel von abtretenden Chefredakteuren, die einem jüngeren Management weichen, fällt auch der traditionelle Ballast weg. Meiner Ansicht nach steht dann einem Kompaktformat nichts mehr im Weg.


Sind darunter auch österreichische Zeitungen, die ihre Gestalt verändern?

García: Die „Kleine Zeitung“ in Graz hat eines der besten Formate der Welt. Wenn ich eine Zeitung besitzen würde, hätte sie dieses Format, bravo. Die „Presse“ ist auch bereits ein Kompaktformat und kein Broadsheet mehr. Obwohl ich mir wünschen würde, dass sich das Format der „Presse“ eher in Richtung „Kleine Zeitung“ entwickelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2008)

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