Nachruf: „Die Xander“ ohne Netz

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Die Radio- und TV-Moderatorin Brigitte Xander ging, wie sie gelebt, gearbeitet hatte: diszipliniert, ohne viel Aufheben.

Anfang der Siebziger, als Fernsehen noch nicht vom Zappen geprägt war, sondern von zwei heimischen Kanälen, die nach dem „Betthupferl“ für Kinder tabu waren, begegnete mir Brigitte Xander zum ersten Mal – bei „Dalli Dalli“. Ich lag im Pyjama auf einem Schrank im Ankleideraum und lugte heimlich auf den Bildschirm im Wohnzimmer. Dort berechnete sie mit Affengeschwindigkeit, ehrlichem Lachen und fröhlichen Augen den Punktestand der Kandidatinnen. 15 Jahre war sie „spitze!“, fast so lang bat sie „Bitte zu Tisch“.

Als morgenmuffeliger Teenager mit Radiokassettenrekorder war mir „die Xander“ im Ö3-„Wecker“ dann suspekt: Wie kann man um sechs Uhr Früh so fröhlich sein? 27 Jahre lang begleitete sie die Nation mit unverwechselbarer Stimme in den Tag. Ihr „Hunderttausend-Schilling-Quiz“ gehörte zum Sonntag wie der Glockenklang, Bratengeruch, Geschirrberge.

In den Neunzigern waren wir dann plötzlich Kolleginnen – im ORF-Studio Wien. Sie moderierte mit ihrem legendären Pagenkopf die Informationssendung „Wien heute“, ich produzierte. Brigitte war frei von Allüren, höchst professionelles Vorbild, ehrliche, zuverlässige Kollegin, humorvolle Freundin. Im Studio ohne Teleprompter sprach sie ohne Netz und benutzte die Moderationskarten im besten Fall, um den Rauch ihrer hinter den Kulissen glimmenden Marlboro von der Kamera fernzuhalten. Nach zwölf Jahren „Wien heute“ zog sie sich nicht ganz freiwillig in den Ruhestand zurück. Der Zeitgeist verlangte nach jungen Damen und Herren mit Silberblick und Sprachfehler.

Im „Ruhestand“ verschlang sie weiterhin sämtliche Medien der Republik, war immer up to date und hatte zu allem eine fundierte Meinung. Ich glaube, es tat ihr gut, dass der ORF sie 2001 als Jurorin für „Taxi Orange“ zurückholte. Als passionierte Taucherin genoss sie mit ihrer späten Liebe Fred gemeinsame Reisen auf die Malediven. Brigitte Xander konnte vieles auf die Palme bringen, am meisten jedoch das Sterben der Korallenriffe. Ich gehe davon aus, dass sie mit ihrer Hartnäckigkeit dieses Problem gerade an höchster Stelle bespricht.

Ingeborg Jakubuff ist freie Autorin und unterrichtet am Publizistik-Institut Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2008)

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