Grabenkämpfe im World Wide Web

Mediennutzung. Noch schlägt das Fernsehen das Internet bei der Nutzungsdauer um Welten. Aber: Bei den Jungen steht's schon 1:1. Der Markt ist heftig in Bewegung.

Wien. „Kein neues Medium hat die alten Medien umgebracht“, sendet der Chef der ORF-Enterprise, Walter Zinggl, seine optimistische Botschaft vom Rieplschen Gesetz (siehe Info-Kasten) in die äußerst verunsicherte Medienwelt. „Video didn't kill the Radio Star – und der Trend zum Zweitbuch soll ungebrochen sein“, scherzt er. Gleichzeitig war die Medienlandschaft noch nie derart in Bewegung – Internet, TV-Digitalisierung, Wirtschaftskrise führen zu Erschütterungen und Verschiebungen am Markt. Wohin die Reise geht?

1Werden wir nur mehr online lesen/fernsehen?

Nein, das nicht. Aber es gibt Verteilungskämpfe. Der härtere spielt sich derzeit zwischen Printmedien und Internet ab, „weil die Unterhaltungsfunktion des Fernsehens durch das Web ganz schwer angegriffen werden kann“, meint Zinggl. Ein Blick auf Download-Fernsehen gibt ihm recht. Laut einer von Wissenschaftlern der FH Mainz erstellten Studie wird das Web aber die Zeitung in Deutschland schon 2018 überholt haben. 30Prozent der Tageszeitungsleser würden bis dahin ins Internet abgewandert sein, heißt es darin.

Werden sie? In den USA sind die Leserzahlen laut Newspaper Association of America von 138,9 Millionen im Jahr 2000 auf 154,3 Millionen 2007 gestiegen. In Österreich laut Media-Analyse im selben Zeitraum von 4,96 auf 4,89 Millionen auf hohem Niveau leicht gesunken. Vor allem im immer schneller werdenden Geschäft mit aktuellen News macht das Web den Printmedien Konkurrenz. „Nachrichten in Print sind tot“, formulierte das der Chefredakteur von „Süddeutsche.de“ bei einer Fachtagung Ende 2008.

Das ist aber nicht zwingend schlecht fürs Geschäft, meint Gerald Grünberger, Geschäftsführer der Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ): „Es werden die gewinnen, die es schaffen, eine sinnvolle Kombination aus Print und Online anzubieten, im Sinne einer Marke.“ Auch Zeitungen können Online-News verbreiten. Und ihre Glaubwürdigkeit gleich in das von beliebigen Informationen überschwemmte Internet mitnehmen: Die Online-„Presse“ zählte 2004 monatlich 245.927 Unique Clients (Zugriffe von einem Computer), 2008 waren es schon 774.502. In den USA hat sich die Zahl der Online-Leser von Zeitungen von 41,4 (2004) auf 74,8 Millionen (Jänner 2009) annähernd verdoppelt. 3,1Millionen Dollar haben die Online-Zeitungen in den Vereinigten Staaten 2007 verdient. Für Österreich gibt's dazu keine Daten.

2Welches Medium wird wie intensiv genützt?

Eine Art „Userstromanalyse“, die (ähnlich der Wählerstromanalyse) aufzeigt, welche Leser/Seher/Hörer wohin wandern und warum, gibt es nicht. Aber Daten über das Zeitbudget, das den einzelnen Mediengattungen gewidmet wird: Die Österreicher haben nach Angaben der World Association of Newspapers 2002 eine halbe Stunde täglich Zeitung gelesen, bis 2006 stieg der Wert um mehr als ein Drittel auf 41Minuten. Der Fernsehkonsum stieg leicht von 162 auf 183 Minuten. Naturgemäß weit steiler der Anstieg der Internetnutzung: von 25 (2002) auf 84 Minuten (2006).

Die Dauer der Mediennutzung ist von Land zu Land sehr unterschiedlich – Österreich erweist sich im internationalen Vergleich als Nation der Zeitungsleser. Die Amerikaner zum Beispiel lasen 2006 nur 26 Minuten täglich in der Zeitung. Die Deutschen auch nur 28 Minuten, sie sahen dafür deutlich länger fern (220 Minuten) und waren 44 Minuten lang im Web.

3Wohin geht die Reise, was wollen die Jungen?

„Web 2.0 ist abgeebbt. Aber Social Networks wie Facebook sind ein massives Thema bei der jungen Generation“, sagt Erwin Vaskovich, Vize-Präsident der ÖWA (Web Analyse). Deutschlands Jugendliche sind täglich bereits zwei Stunden im Netz (fast gleich lang wie vor dem Fernseher). Auch Zinggl weiß, dass „YouTube bei den Jungen einen wesentlich stärkeren Anteil am Medienbudget einnimmt als bei den 50-Jährigen“: „Dort findet man aber kaum einen Clip, der mehr als viereinhalb Minuten hat, keine Information oder Analyse. Wird das dem 15-Jährigen noch reichen, wenn er 50 ist?“ Es bleibt spannend.

World Association of Newspaper, Editor and Publisher International Year Book, ORF

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2009)

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