Ex-ORF-Generalintendant Gerd Bacher gestorben

Ehemaliger ORF-Generalintendant Gerd Bacher gestorben
Ehemaliger ORF-Generalintendant Gerd Bacher gestorben APA/BARBARA GINDL
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Bacher gehörte zu den prägenden Medienmachern Österreichs in der Zweiten Republik.

Der frühere legendäre ORF-Generalintendant Gerd Bacher ist am Samstag nur wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag an den Folgen eines Schlaganfalls in Salzburg gestorben. Das teilte der Bacher-Vertraute und ehemalige ORF-Intendant Johannes Kunz am Sonntag im Auftrag der Familie mit.

Bacher stand zwischen 1967 und 1994 mit Unterbrechungen 20 Jahre lang an der Spitze des Österreichischen Rundfunks und war neben "Krone"-Gründer Hans Dichand einer der prägenden Medienmacher Österreichs in der Zweiten Republik.

Bacher wurde am 18. November 1925 in Salzburg geboren, wo bei der "Salzburger Volkszeitung" und den "Salzburger Nachrichten" auch seine Laufbahn als Journalist begann. 1954 wurde er nach Wien als Chefredakteur des neu gegründeten "Bild-Telegraf" berufen, zwei Jahre lang - von 1958 bis 1960 - war er Chefredakteur des von ihm mit gegründeten "Express". Mitte der siebziger Jahre war er kurzzeitig "Kurier"-Chefredakteur, Ende der achtziger Jahre fungierte er für kurze Zeit auch als Herausgeber der "Presse". Bachers Herz und Leidenschaft gehörten aber immer "seinem ORF". Von 1967 bis 1975, von 1978-1986 sowie von 1990 bis 1994 war er insgesamt fünfmal Generalintendant des öffentlich-rechtlichen Senders.

"Obmann einer Ein-Mann-Partei"

Nach dem Rundfunkvolksbegehren und einem neuen ORF-Gesetz wurde Bacher, der sich selbst als wertkonservativer heimatloser Bürgerlicher und "Obmann einer Ein-Mann-Partei mit Aufnahmesperre" sah, 1967 erstmals zum ORF-Chef gewählt. Unter seiner Führung wurde das ORF-Zentrum am Küniglberg gebaut, und der Sender startete eine Informationsoffensive in Radio und Fernsehen. Im Radio wurden die stündlichen Nachrichten und "Journale" eingeführt, im Fernsehen die Informationsendungen ausgebaut.

"Ich habe die alte Führung noch in der ersten Nacht abgesetzt. Sie waren Auftragnehmer ihrer Parteien", so Bacher vor Jahren. "So schön" wie in der ersten Zeit ist es "nie wieder geworden, so unabhängig auch nie wieder. Wir fühlten uns als Hohepriester der Zentralanstalt für österreichische Identität. Die Parteien konnten sich nicht vorstellen, dass ein Rundfunk das tut, was er für richtig hält."

1974 wurde auf Initiative der SPÖ und Bruno Kreiskys "eines der besten Rundfunkgesetze der Welt durch eines der schlechtesten ersetzt". Bacher musste bald darauf gehen und kehrte 1978 für zwei weitere Perioden an die Spitze des ORF zurück. "They never come back hat bei mir nicht gestimmt." Nach Bachers Wiederwahl 1978 titelte die Kärntner Tageszeitung "Kreisky in Paris, Benya in Sofia, Bacher im ORF".

Bachers letzte Amtszeit von 1990 bis 1994 war vom Konkurrenzkampf mit den auch in Österreich immer stärker gewordenen deutschen Privatsendern geprägt. "Mir ist das elektronische Hochland von Tibet lieber als das Tiefland von Luxemburg. Die kommerziellen Fernsehsender haben die öffentlich-rechtlichen unter schweren Quotendruck gesetzt. Diese führen einen heldenhaften Abwehrkampf. Es bleibt die Hoffnung auf Schubumkehr, aber ich glaube es wird noch Ärger", meinte Bacher in den neunziger Jahren.

ORF wie "Kind, das seine Talente verloren hat"

Dem ORF blieb der "Tiger" - den Spitznamen verpasste ihm der Karikaturist Gustav "Ironimus" Peichl nach seiner ersten Wahl zum ORF-Chef - auch nach seinem Abschied verbunden. Immer wieder erhob er in medien- und ORF-politischen Belangen das Wort. Wenn Bacher mit den jeweils aktuellen Entwicklungen am Küniglberg unzufrieden war, scheute er sich nicht vor deutlichen Worten. "Mit dem ORF geht es mir wie mit einem Kind, das seine Talente verloren hat", erklärte er diesen Umstand. Von nachfolgenden Geschäftsführungen zeigte er sich in öffentlichen Statements regelmäßig enttäuscht bis deprimiert. Wer in den Augen Bachers Verfehlungen begangen hatte, zog dessen hartes Urteil samt unzweideutigen Beiworten auf sich: "Laienbruderschaft" hieß es dann etwa in Richtung der aktuellen ORF-Führung.

Für richtig toll befand er in den vergangenen Jahren nur einen: Gerhard Zeiler, direkt nach Bachers letzter Amtszeit ORF-General, heute Fernsehmanager beim Time Warner-Konzern. "Von New York bis Moskau gibt es keinen, der ein Medienunternehmen führt und nicht weiß, wer Gerhard Zeiler ist. Und auf einen solchen Kapazunder glaubt man hierzulande verzichten zu können", beklagte Bacher.

Mit Kritik am ORF-Programm selbst hielt sich Bacher vornehm zurück, denn "ich gehöre nicht zu den Scheißern, die unentwegt sagen: Ja, zu meiner Zeit!" Die neue Medienwelt ist Bacher wie vielen seiner Generation fremd geblieben. Das Internet nutzte er kaum bis selten, und als Lieblingsfernsehprogramm verfolgte er in den vergangenen Jahren vor allem 3sat und Arte. Daneben sah der Medienmacher, der 1999 von einer Fachmedienjury gemeinsam mit Karl Kraus und Hans Dichand zu Österreichs Journalisten des 20. Jahrhunderts gewählt wurden, täglich mehrere Nachrichtensendungen in ORF, ARD und ZDF.

Wrabetz "sehr betroffen"

Der ORF reagierte betroffen auf den Tod Bachers. "Mit ihm verliert Österreich einen legendären Journalisten, Intellektuellen und visionären Medienmanager, der Radio und Fernsehen des Landes geprägt hat wie kein anderer", hieß es in einer Stellungnahme des öffentlich-rechtlichen Senders. "Der Tod Gerd Bachers hat mich - und sicherlich auch sehr viele ORF-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen - sehr betroffen gemacht", betonte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.

Reaktionen aus der Politik

"Seine Leidenschaft für das Fernsehen, seine Führungsqualitäten und seine Begeisterungsfähigkeit haben seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Spitzenleistungen motiviert, aber auch Widerspruch ausgelöst. Unter dem Strich hat aber der begeisterte Journalist und begeisterte Österreicher Gerd Bacher enorm viel für die österreichische Medienlandschaft und für das Prinzip der objektiven Berichterstattung geleistet. Sein Tod hinterlässt menschlich und fachlich eine ganz große Lücke", sagte Bundespräsident Fischer.

Betroffen über die Nachricht vom Tod des früheren ORF-Generals reagierte auch Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ). "Bacher war von Anbeginn seiner Tätigkeit im Medienbereich mit Leib und Seele Journalist. Ebenso leidenschaftlich setzte er sich für seine Ideen im ORF ein, der unter seiner Führung zum Flaggschiff der österreichischen Medien wurde. Er war streitbar und ging Konfrontationen nie aus dem Weg, wenn er von einer Sache überzeugt war. Unzweifelhaft ist mit seinem Tod eine Pionierepoche des Österreichischen Rundfunks zu Ende gegangen", so Ostermayer.

Für den Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) verliert Österreich mit Bacher auch "einen brillanten Redner und großen Denker". Bachers Aufwachsen in Salzburg habe auch seine spätere föderale Geschäftspolitik im ORF mitbegleitet. "Die in der ersten Amtszeit eingeleitete Regionalisierung des Hörfunkprogrammes und die Errichtung der Landesstudios sind Beispiele für Bachers föderalistisches österreichisches Denken", sagte Haslauer.

Laut ÖVP-Mediensprecher Gernot Blümel habe Bacher mit seiner Arbeit im ORF "den Weg für eine moderne Informationsvermittlung geebnet" und sich für die "Vision eines zeitgemäßen öffentlich-rechtlichen Senders" eingesetzt und diese auch umgesetzt. "Ob als Journalist, als Chefredakteur, als Herausgeber oder als Generaldirektor - für Gerd Bacher stand stets die Unabhängigkeit zeitgemäßer Informationsvermittlung im Mittelpunkt, was uns auch heute Vorbild und Leitfaden für die Weiterentwicklung der Medien unserer Zeit sein sollte", erklärte Blümel.

Andre Heller: "Liebeserklärung an einen Querdenker"

Bereits 2008 brachte Andre Heller, der langjährige Weggefährte seine Gefühle für Bacher bei der Auszeichnung zum "Journalisten des Jahres"-Gala zum Ausdruck: "Gerd Bacher ist nämlich ein fulminantes Prinzip, das da lautet: "Es interessiert mich nicht im Geringsten, es sei denn es hat Qualität." Seine Zeit war ihm immer zu schade und seine Selbstachtung zu groß, um sich ein Flanieren in den Niederungen der Missgunst, Oberflächlichkeit, Großmannssucht oder gar G'schaftelhuberei zuzumuten. Er war schon lange vor Ingeborg Bachmann der Meinung, dass die Wahrheit dem Menschen zumutbar ist und er hat diesbezüglich seine Freunde nicht geschont, von den Feinden gar nicht zu reden. Bruno Kreisky hat mich einmal angefaucht: "Du mit Deinem Gerd Bacher." Und ich habe ihm, und dafür gibt es Kreiskys damaligen Kabinettchef Wolfgang Petritsch als Zeugen, geantwortet: "Du wärst per saldo weniger schlecht aufgelegt, wenn du einen Freund wie Gerd Bacher hättest." [...] Niemand auf Erden beschäftigt der ORF mehr als Gerd Bacher: Mich interessiert das Schicksal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Rundfunks in unserem Land auch sehr, aber es macht mich nicht schlaflos. Wer Gerd trifft, trifft immer auch seine Sorge um den ORF. Wie auch nicht, er hat ihn ja in seiner schönsten, imponierendsten Form erfunden bzw. die begabtesten Feuerköpfe um sich geschart, um ihn erfinden zu lassen. Bacher war der fähigste, innovativste, gebildetste, risikobereiteste, querdenkerischste Generalintendant, den das Unternehmen je hatte und man riskiert wenig, wenn man hinzufügt: auch jemals haben wird."

Programmänderung im ORF

In memoriam Gerd Bacher ändert ORF 2 sein Programm und bringt am Sonntag um 22.00 Uhr Andreas Novaks Dokumentation "Gerd Bacher". Im Anschluss folgt um 22.50 "Im Zentrum".

(APA)

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