Nach Streaming-Urteil: ORF sucht neue Geldquellen

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Wer via Computer ORF-Programme konsumiert, muss keine Gebühren zahlen. Außer, er verwendet dafür eigene Technologien. Das besagt nun ein Urteil des Höchstgerichts.

Wien. Einst hieß sie „Gebühren Inkasso Service“, nun freundlicher „Gebühren Info Service“: Die GIS hebt für den ORF die Rundfunkgebühren ein. Diese hat laut Gesetz zu leisten, wer eine Rundfunkempfangseinrichtung betreibt. Bisher stand die GIS auf dem rechtlichen Standpunkt, dass auch ein Computer mit Breitband-Internetanschluss eine solche Einrichtung ist. Ein Urteil des Höchstgerichts stellt nun aber klar: Dem ist nicht so.

Ein Wiener hat seinen Fall bis zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH) durchgefochten. Der Mann hat ein Notebook samt Lautsprechern und Breitband-Internetanschluss. Die GIS schrieb im Radiogebühren vor. Damit verbunden sind automatisch weitere Abgaben wie das ORF-Programmentgelt und der Kunstförderungsbeitrag. Schon das Bundesverwaltungsgericht interpretierte das Gesetz anders als die GIS, das Höchstgericht schloss sich nun dieser Meinung an. Der Gesetzgeber habe beim Begriff der Rundfunkempfangseinrichtung nicht an „elektronische Darbietungen“ über das Internet gedacht. Nur, wenn ein Computer mit Rundfunktechnologien versehen ist (etwa mittels TV- oder Radiokarte oder über ein DVB-T-Modul) sei er eine Empfangseinrichtung und gebührenpflichtig. Live-Streaming aber falle nicht unter den Rundfunkbegriff. Womit klar sei, dass sowohl Radio als auch TV via Stream nicht gebührenpflichtig sind, wie Anwalt Johannes Öhlböck im Gespräch mit der „Presse“ betont. Der Jurist hat den Mann vertreten, der gegen die GIS erfolgreich vor Gericht zog.

Das Urteil selbst wirkt zwar nur für den Wiener, der den Bescheid der GIS angefochten hat. Aber andere Betroffene können das Urteil nun auch zum Anlass nehmen, um ihre Zahlungen an die GIS einzustellen. So rät Öhlböck dazu, der GIS mitzuteilen, dass künftig keine Gebührenpflicht mehr besteht. Sollte die GIS auf Zahlungen bestehen, sollte man einen Feststellungsbescheid darüber beantragen, diesen können die Gerichte dann kippen. Spannend ist die Frage, inwieweit man bereits geleistete Zahlungen an die GIS zurückbekommen kann, wenn man nur über Breitbandinternet ORF-Programme konsumierte. Verjährungsfristen würden hier nicht greifen, sagt Öhlböck mit Blick auf eine ältere VwGH-Entscheidung. Womit man für alle geleisteten Jahre sein Geld zurückfordern könnte. Die Zahlungen würden nämlich nicht ins Zivilrecht fallen, sondern ins öffentliche Recht – und hier fehle eine Verjährungsvorschrift für GIS-Gebühren.

ORF bringt Haushaltsabgabe ins Spiel

Ein Problem könnte es aber laut dem Anwalt werden, wenn man in der Vergangenheit nicht ausdrücklich angegeben hat, dass man nur über Internet ORF-Programme konsumiert. Am standardmäßigen GIS-Formular etwa wird nicht differenziert, ob man ein TV- oder Radiogerät hat oder per Internet Programme nutzt. Auch die Frage, inwieweit man von GIS-Mitarbeitern bei der Anmeldung in einen rechtlichen Irrtum geführt wurde, gelte es zu klären. Im Streitfall muss man gegenüber der GIS jedenfalls den Rechtsweg einschlagen.

Der ORF nahm die Entscheidung des Höchstgerichts am Montag „zur Kenntnis“, wie es in einer Aussendung hieß, betonte aber, die rechtliche Lücke sei zu schließen. Es entstünde nämlich „eine Zweiklassengesellschaft unter den ORF-Hörern“, so der Kaufmännische Direktor, Richard Grasl. Der ORF dürfte die Entscheidung nutzen, um die Debatte über eine Haushaltsabgabe nach deutschem Vorbild wieder anzustoßen. Bei der GIS weiß man nicht, wie viele Haushalte von der VwGH-Entscheidungen betroffen sind. Es dürften allerdings nur sehr wenige sein, in denen es neben Laptop oder PC nicht ein herkömmliches Radio- oder TV-Gerät gibt.

AUF EINEN BLICK

Der Verwaltungsgerichtshof gab einem Mann recht, der sich gegen GIS-Gebühren wehrte. Wer einen Computer hat und über Breitband-Internet ORF-Programme nutzen kann, muss keine Abgaben leisten. Gebührenpflichtig ist es nur, wenn man eigene Rundfunktechnologien einsetzt (etwa TV- oder Radiokarten). Im Lichte des Urteils können Computernutzer in ähnlicher Situation ihre Zahlung einstellen. Auch eine Rückforderung steht im Raum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2015)

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