Böhmermann: Nach Erdoğan kommt RTL

Jan Böhmermann deckte die Arbeitsweise hinter der RTL-Sendung „Schwiegertochter gesucht“ auf.
Jan Böhmermann deckte die Arbeitsweise hinter der RTL-Sendung „Schwiegertochter gesucht“ auf.(c) ZDF
  • Drucken

Es muss nicht immer eine diplomatische Krise sein. Bei seinem Comeback nach der Erdoğan-Affäre zerlegt Jan Böhmermann die Kuppelshow „Schwiegertochter gesucht“.

Die Erwartungshaltung war groß. Vor einigen Wochen hatte Jan Böhmermann mit seinem Schmähgedicht gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan eine diplomatische Krise zwischen Deutschland und der Türkei ausgelöst. Wie würde er das toppen können? Kaum, darum versuchte er es erst gar nicht. Nach vier Wochen Pause, während der die Affäre von den Titelseiten in die Randspalten der Zeitungen gewandert war, startete das „Neo Magazin Royale“ mit dem Sendungstitel „War was?“ Und Böhmermann spielte vor allem mit Andeutungen. „Es ist viel Druck auf dieser Sendung, mit Gags habe ich schlechte Erfahrungen gemacht“, sagte er. „Ich mach auch keine Gags mehr über Hitler, weil es kann sein, dass mir das dann als Störung der Totenruhe ausgelegt wird.“

Und so brachte er zu Beginn ausschließlich Gags, die vom Publikum eingesandt worden waren. Gags, die „ausreichend für die Qualitätsansprüche für das ZDF“ sein sollten – ein Seitenhieb, nachdem der Sender das Schmähgedicht aus der Mediathek entfernt hatte. 103 Euro bekam jeder Einsender für einen Witz, der es in die Sendung schaffte – eine Andeutung auf den Paragrafen 103, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt. Jener Paragraf, den die Bundesregierung nach dem Fall abschaffen möchte, wird nun noch etwas länger weiter bestehen. Der Bundesrat lehnte am Freitag eine sofortige Streichung ab.

Weitere Andeutungen wegen der Affäre zogen sich laufend durch die Sendung, doch die große Eskalation kam nicht. Stattdessen widmete sich Böhmermann wieder seiner Rolle als Volksbildner in Sachen Medienkunde. Sein Team hatte bei der RTL-Kuppelshow „Schwiegertochter gesucht“ zwei Schauspieler als Kandidaten eingeschleust, eigens eine Wohnung dafür angemietet. Der „einsame Eisenbahnfreund Robin“ und sein Vater waren so schrullig angelegt, dass sie wahrlich unnatürlich wirkten. Doch das Team von RTL war begeistert von den ohnehin überzeichneten Figuren – und entwickelte sie noch weiter.

„Leute werden zu Witzfiguren gemacht“

Da wurde die Wohnung noch zusätzlich dekoriert, da wurde dem Kandidaten der Text vorgegeben, den er zu sagen hatte. Und schließlich ermunterte ihn das Team sogar zu falschen Angaben in einem Fragebogen – sonst hätte er gar nicht mitmachen dürfen. Zudem kam heraus, dass beide Kandidaten nur 150 Euro Aufwandsentschädigung für zehn bis 30 Drehtage bekommen.

„Es geht nicht um Liebe, es geht ums Geschäft“, klagte Böhmermann an. „Leute werden zu Witzfiguren gemacht. Ihr habt sie schlimmer inszeniert, als wir sie erfunden haben.“ Und hatte damit seine Botschaft angebracht – Kritik an den Praktiken von Privatsendern im Umgang mit Menschen. #verafake war der Hashtag für die Sendung – gemünzt auf die Moderatorin der Sendung, Vera Int-Veen. Und wohl nicht unabsichtlich eine Andeutung an eines seiner Meisterstücke. Mit #varoufake hatte er die Öffentlichkeit im Vorjahr stundenlang zum Narren gehalten, ob der ausgestreckte Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis an die Deutschen echt oder gefälscht war.

RTL reagierte am Freitag mit einer kleinlauten Aussendung. Man habe die redaktionelle Sorgfaltspflicht verletzt. Für die aktuelle Staffel werde ein neues Team eingesetzt. Ein Erfolg für den Volksbildner und ein starkes Stück für das Comeback.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

TV-Moderator Jan Böhmermann bei einem Konzert mit seinem Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld
Medien

Böhmermann klagt Merkel: Schmähgedicht "bewusst verletzend"?

Das Berliner Verwaltungsgericht muss nach einem Bericht des "Tagesspiegel" entscheiden, ob Kanzlerin Merkel ihre Kritik am TV-Entertainer aufrecht erhalten darf.
Jan B�hmermann
Medien

"Schmähkritik"-Verbot: Böhmermann geht offenbar in Berufung

Das Landgericht Hamburg hatte Teile des Gedichts, gegen das der türkische Präsident Erdogan geklagt hatte, verboten. Böhmermann will das Urteil anfechten.
Jahn Böhmermann sorgte mit seinem Gedicht für Aufregung.
Medien

Gericht verbietet Teile von Böhmermanns "Schmähgedicht"

Ein Gericht in Hamburg gab am Freitag einer Klage des türkischen Präsidenten Erdogan statt. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig.
GERMANY-TURKEY-POLITICS-MEDIA
Medien

"Mit dem Argument könnten Sie auch eine alte Oma umschlagen"

In der Causa Böhmermann begann am Mittwoch der Prozess, in dem der türkische Präsident Erdogan erreichen will, dass die "Schmähkritik" des deutschen Satirikers verboten wird.
TURKEY-POLITICS-REPUBLIC DAY
Medien

Erdogan erstmals als "Feind der Pressefreiheit" gebrandmarkt

Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" führt den türkischen Präsidenten erstmals in ihrer Liste medienfeindlicher Politiker an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.