Erdogan erstmals als "Feind der Pressefreiheit" gebrandmarkt

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Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" führt den türkischen Präsidenten erstmals in ihrer Liste medienfeindlicher Politiker an.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wird von Reporter ohne Grenzen erstmals als "Feind der Pressefreiheit" gelistet. Er zähle zu 35 Staats- und Regierungschefs, Organisationen und Geheimdiensten, welche die "Pressefreiheit durch Zensur, willkürliche Verhaftungen, Folter und Mord" unterdrücken, erklärte die Organisation am Mittwoch.

Insbesondere die Verhaftung von Journalisten der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" sorgt derzeit für Kritik. Reporter ohne Grenzen (ROG) erklärte, die seit 2013 veröffentlichte Liste der "Feinde der Pressefreiheit" zeige, wer "in besonders drastischer Weise" gegen Reporter vorgehe. Neben Politikern werden darin auch extremistische und kriminelle Organisationen geführt sowie Geheimdienste.

Mindestens 130 Journalisten in Haft

Erdogan erscheine erstmals in der Aufzählung, weil er "nach mehreren Verhaftungs- und Schließungswellen im Zuge des derzeitigen Ausnahmezustands einen Großteil der relevanten Nachrichtenmedien" kontrolliere, betonte Reporter ohne Grenzen. Derzeit seien mindestens 130 Journalisten in der Türkei im Gefängnis, mindestens 140 Medien seien geschlossen worden.

Erst am Montag hatte die türkische Polizei den Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", Murat Sabuncu, und rund ein Dutzend weitere Mitarbeiter inhaftiert. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, mit ihren Artikeln den gescheiterten Militärputsch Mitte Juli "legitimiert" zu haben.

"Diktatur unter Schleier der Demokratie"

Der frühere Chefredakteur von "Cumhuriyet", Can Dündar, kritisierte in diesem Zusammenhang die Haltung Berlins. "Die Reaktion der deutschen Regierung war wirklich schwach", sagte er der Zeitung "Die Welt" vom Mittwoch. Das gelte auch im Vergleich mit anderen Ländern wie etwa den USA. Die deutsche Bundesregierung hatte ihre "Sorge" über die Verhaftungswelle ausgedrückt und erklärt, die Pressefreiheit sei ein "hohes Gut". Dündar betonte, Berlin habe das Vorgehen der türkischen Regierung "nicht einmal verurteilt".

Reporter ohne Grenzen wirft Präsident Erdogan in einem Steckbrief eine "aggressive Diktatur unter dem Schleier der Demokratie" vor. Er gehe mit Mitteln der Anti-Terror-Gesetzgebung gegen Kritiker vor und habe seit dem gescheiterten Putsch im Juli zahlreiche Journalisten verhaften lassen.

Die Organisation veröffentlichte die Liste der "Feinde der Pressefreiheit" anlässlich des Welttags gegen Straflosigkeit für Verbrechen an Journalisten. Neu darauf sind auch der ägyptische Staatschef Abdel Fattah al-Sisi, die Houthi-Rebellen im Jemen und die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).

"Die vielen neuen Namen unter den Feinden der Pressefreiheit zeigen, dass Autokraten und Extremisten jeder Couleur immer noch sicher sein können, mit der Unterdrückung freier Medien straflos davonzukommen", betonte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Er rief die UNO auf, einen Sonderbeauftragten für den Schutz von Journalisten einzusetzen.

(APA/AFP)

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