TV-Kritik

„Tatort“ Köln: Gute Nachbarschaft macht misstrauisch

Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) werden einen Blick hinter die Fassade
Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) werden einen Blick hinter die Fassade(c) WDR/Martin Menke
  • Drucken

Der Fall „Nachbarn“ führt Ballauf und Schenk in die idyllische Vorstadt. Gibt es dort überhaupt noch neue Geschichten zu erzählen? Nein. Muss bei einer stringenten Folge wie dieser aber nicht sein.

Unsere Wertung für diesen Tatort

8 von 10 Punkten

Worum geht's in „Nachbarn“?

Ab Abend setzt Werner Holtkamp noch hohe Thujen am Zaun zum Nachbarn ein, wenige Stunden später fliegt er – schon tot, wie die Gerichtsmedizin später feststellt – von der Autobahnbrücke vor einen Lkw. Die Spur führt Max Ballauf und Freddy Schenk in die Kölner Vorstadt, zu den hübsch aufgereihten Einfamilienhäusern. Dort hätte Holtkamp wohl keinen Beliebtheitswettbewerb unter der Nachbarschaft gewonnen. Als „kontaktgestörter Ordnungsfanatiker“ wird er beschrieben. Verstörend ist sein Haus: Von der Frau verlassen, hat er das Zimmer der geliebten Tochter in Plastik verpackt – wie auch sein Bett. Immerhin: zum Putzen ist es praktisch.

Worum geht's noch?

Die idyllische Vorstadt und ihre Abgründe – ein Thema, das uns eine Fülle von Serien beschert hat, von den „Desperate Housewives“ bis zu den „Vorstadtweibern“. Kann man dem noch etwas Neues abringen? Der „Tatort“ tut dies nicht wirklich, die Typen kennt man. Es gibt die einsame, vom Ehemann entfremdete Hausfrau (super: Birge Schade), die zumindest glücklich wirkende Kleinfamilie und das arme Hascherl mit dem Putzzwang, Sandra (Claudia Eisinger) – sie rückt immer mehr ins Zentrum des Falles. Denn der Stiefvater der jungen Mutter, Leo Voigt (Werner Wölbern), hat ein erstaunlich gutes Verhältnis zu den Nachbarn. Das muss misstrauisch machen! Vor allem Schenk, denn der ficht gerade selbst einen Streit mit seinem Nachbarn aus und weiß: my home is my castle – und muss geschützt und verteidigt werden. Nicht umsonst werden die Zäune in allerorts höher und höher.

Wer ermittelt?

Wer verpackt sein Bett in Plastik? Ein „kontaktgestörter Ordnungsfanatiker“, wie das Opfer beschrieben wird
Wer verpackt sein Bett in Plastik? Ein „kontaktgestörter Ordnungsfanatiker“, wie das Opfer beschrieben wird (c) WDR/Martin Menke

Wie sich die Routiniers Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) in den Fall festbeißen und Schicht für Schicht die hübsche Fassade abtragen, ist nicht innovativ oder aufregend, aber konstant spannend. Gut auch, dass das Privatleben der beiden nicht ausgewalzt wird – ein paar Andeutungen reichen.

Was gefällt?

Der Kreis der Verdächtigen – und damit auch der handelnden Personen – ist in „Nachbarn“ ungewöhnlich klein. Nicht einmal die Arbeitskollegen des Opfers bekommen wir Zuseher zu Gesicht. Dadurch nimmt sich dieser „Tatort“ auch Zeit, die Figuren zu zeigen und ihnen zumindest ein wenig Tiefe zu geben. Besonders schön gelingt das mit der einsamen Nachbarin. Die Szene, in der sie Martini trinkend und weinend im eigenen Wohnzimmer tanzt, gehört zu den besten der Folge.

Wo hakt's?

Eigentlich nirgends. Ein rundherum gelungener, runder und solider Fall. Für die volle Punkteanzahl aber doch ein wenig zu brav.

Was lernen wir?

Thujen werden nicht umsonst auch „Friedhofsbäume“ genannt. Noch dazu sind sie giftig – und hässlich. Finger weg davon!

„Tatort: Nachbarn“, Sonntag, 26. März um 20:15 Uhr in ORF 2 und ARD

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Tatort: Kopper
TV-Kritik

"Tatort" Ludwigshafen: Abschied von Kommissar Kopper

Nach 21 Jahren und insgesamt 57 Fällen muss Kommissar Mario Kopper gehen. Wie er aber in seinen Abgang stolpert, ist enttäuschend.
Der wueste Gobi
TV-Kritik

"Tatort" Weimar: Strickhöschen und Buchstabensuppe

Wegen der kaputten Heizung gehen die Kommissare Lessing und Dorn in diesem "Tatort" auf Kuschelkurs. Wird aber nichts: "Der wüste Gobi", ein Psychopath und mutmaßlicher Frauenmörder, hält sie auf Trab.
Tatort
TV-Kritik

"Tatort" Hamburg: Falke und der "Westentaschen-Goebbels"

In diesem "Tatort" steht der Rechtspopulismus im Fadenkreuz. In "Dunkle Zeiten" gibt nicht nur Kommissar Thorsten Falke ein politisches Statement ab - kurz steht sogar Donald Trump im Fadenkreuz.
Tatort
TV-Kritik

"Tatort" Berlin: Hier stinkt's nach Tod und U-Bahn

Die Kommissare Rubin und Karow fahnden in der thematisch vollgestopften "Tatort"-Episode "Dein Name sei Harbinger" nach einem Serienmörder. Als Kulisse dient die Berliner U-Bahn. Spooky.
Tatort
TV-Kritik

"Tatort" Hamburg: „Öko-Nazis“ und Prügelkinder

In „Böser Boden“ ermitteln die „Tatort“-Kommissare Falke und Grosz im Fracking- und im Umweltschützer-Milieu. Hier weiß man nicht, wer davon furchterregender ist.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.