Star Trek: Von Glückskeksen und Klingonen

Noch leben alle. Aber Captain Georgiou (Michelle Yeoh, li.) stirbt schon in Episode zwei. Ihr Erster Offizier, Michael Burnham (Sonequa Martin-Green, re.) ist daran nicht ganz unschuldig und bekommt Wickel.
Noch leben alle. Aber Captain Georgiou (Michelle Yeoh, li.) stirbt schon in Episode zwei. Ihr Erster Offizier, Michael Burnham (Sonequa Martin-Green, re.) ist daran nicht ganz unschuldig und bekommt Wickel.CBS
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Nach zwölf Jahren Pause ist das Science-Fiction-Epos mit „Discovery“ um eine neue Serie reicher. Sie wird auf Netflix gezeigt. Was bisher zu sehen war, ist ziemlich okay.

Frauen. Frauen. Frauen. Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2256, und in den Raumschiffen der „Sternenflotte“, die für die 2161 gegründete Vereinigte Föderation der Planeten operiert, scheint mehr als die Hälfte der Crew aus Frauen zu bestehen. Das ist natürlich löblich – und zeigt auf, dass die Menschheit beim Vergleich mit der Zusammensetzung heutiger Flotten und Forschungseinrichtungen da noch einiges zu tun haben dürfte.

Zwei solche coole Frauen, die Studien in Naturwissenschaften, Technik und Kriegskunst endlich den variabel-ideologisch geladenen GeiWi-Sphären (den Geisteswissenschaften, Anm.) vorzogen, führen als Captain bzw. Lieutenant Commander im Mai 2256 das Raumschiff U.S.S. Shenzhou, als sie auf ziemlich unentspannte Klingonen treffen, angeblich erstmals seit 100 Jahren. Dort wiederum ist ein Charismatiker dabei, die 24 zerstrittenen Clans ("Häuser") der Klingonen zu vereinen, als sich die Shenzhou einmischt, Verstärkung bekommt und alles eskaliert: Laserfeuer, Quantentorpedos, Rammstöße, berstende Schiffe, Menschen, Klingonen und andere Ethnien, die im Vakuum treiben wie Staubkörner.

Es setzt eine Niederlage für die guten Leute der Föderation, die laut Selbstbild stets „in Frieden“ kommen. Die Klingonen brechen den Kampf als Sieger ab, und obwohl durch eine Kommandoaktion auch der Klingonen-King stirbt und dabei so traurig dreinschaut wie King Kong, fallen auch 8186 Sternenflottenmitglieder, darunter Shenzhou-Captain Philippa Georgiou. Da ihre Vize namens Michael (sic!) Burnham an allem nicht ganz unschuldig war, ja meuterte, wird sie zu lebenslanger Haft verurteilt, doch bei der Überstellung vom Sternenflottenschiff Discovery faktisch gekidnappt.

Süßes für die Flagellantin

Deren Captain, ein düsterer Typ namens Gabriel Lorca, feilt an etwas, was für den Krieg gut sein soll. Er sagt, er könne dazu auch die degradierte Verurteilte brauchen, die in flagellantenhafte Schicksalsergebenheit verfallen ist, und reicht ihr Glückskekse.

So setzt sich „Discovery“, das neue Geschöpf der „Star Trek“-Welt, die 1966 brav, bunt und billig mit (so hieß es im Deutschen) „Raumschiff Enterprise“ von Captain Kirk begonnen hatte, 2017 fort. Vorerst auf CBS bzw. Netflix, 15 Folgen lang (Nr. vier folgt am Sonntag bzw. Montag). Nach fünf TV-Serien (neben Ur-„Star Trek“ noch „The Next Generation“, „Deep Space Nine“, „Voyager“ und „Enterprise“) und 13 Filmen hat „Star Trek“ lange geschlafen: Zuletzt war „Enterprise“ (ab 2001) 2005 entschlummert – zu Recht.

Die ersten „Discovery“-Folgen sind auch für jemanden, der Ende der 1990er während „Deep Space Nine“ weitgehend ausstieg und ein „Kind“ von Kirk und seinem Erben Jean-Luc Picard ist, vielversprechend. Die technische Gestaltung und das Design von Figuren, Schiffen und Phänomenen ist edel, nicht kitschig oder übertrieben, teils konservativ.

Katholisch-barocke Krieger

Die Signation ist schräg, doch schön: Bilder, die an technische Skizzen von Leonardo da Vinci und die Ästhetik des Albumcovers von „Machina/The Machines of God“ der Smashing Pumpkins erinnert; doch ist die Musik unterkühlt und wird von vielen Fans zerrissen, ebenso die neue Gestalt der Klingonen, die katholisch-barock, aber auch altägyptisch und trampelhaft wirken. Nun, sie sind aber okay – und „Life Ball“-tauglich.

Gene Roddenberry, Schöpfer von „Star Trek“, nahm einst irrig an, dass künftig alles besser werde, wie der deutsche Kritiker Dietmar Dath im „Rolling Stone“ schrieb: „Und das hieß innerhalb seines linksliberalen Ami-Horizonts: immer gesetzesförmiger (,Oberste Direktive‘), zivilisierter, vernünftiger. Jedes Jahrhundert überwand mindestens ein Vorurteil, einen Aberglauben, eine doofe Kulturerbschaft. Schön wär's!“ In der Tat herrscht in der neuen Serie, die nicht um einen Captain als Hauptfigur kreist, aber das Reale, ja Böse. Finstere Mächte walten in der Föderation, die Discovery könnte Teil davon sein (Insiderstichwort: Section 31). Die „Discovery“-Realität ist generell realistischer als früher.

Eine verirrte Popsängerin

Dass die weibliche Hauptfigur „Michael“ heißen muss, wurde „plumper Versuch“ genannt, „progressiven linken Twitteranten“ zu gefallen. Doch es gibt wirklich vereinzelt Frauen im angelsächsischen Raum, die so heißen. Ist ja nett. Die Produzenten um Alex Kurtzman geben freilich zu, dass dahinter auch ein genderpolitisches Motiv stecke, und schon kriecht Ideologie herein.

Sonequa Martin-Green (bekannt aus „The Walking Dead“) muss übrigens auch nicht die Idealbesetzung sein: Sie zeigt einen neuen Typ Heldin, spielt aber zu verbissen, zu humorlos, und ist vom Phänotyp her eher eine karibische Popsängerin im falschen Film. Aber wir sehen ihr sehr gern weiter zu.

DAS „STAR TREK“-UNIVERSUM

Was Gene Roddenberry (1921-1991), ein Ex-Polizist und Drehbuchautor, in den 1960ern als Weltraumstory schuf, bei der ein Raumschiff die Weiten des Alls erkundet, ist bis heute in seinem „kanonischen“ Umfang auf sechs Serien (inkl. „Discovery“) mit über 700 Folgen, 13 Kinofilmen und den Pilotfilm „Der Käfig“ erblüht. Folge 1 mit James T. Kirk als Captain der Enterprise erschien 1966 auf NBC. Der ORF zog 1974 nach. Als Verwalter des auch „Franchise“ genannten Produktionssystems des Star-Trek-Universums fungiert der Paramount-Konzern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2017)

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