Stabwechsel bei der „New York Times“

(c) REUTERS (Carlo Allegri)
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Herausgeber Arthur O. Sulzberger zieht sich zurück, es übernimmt sein Sohn A. G. Sulzberger. Die „New York Times“ ist die letzte große US-Zeitung in Familienbesitz.

In der Silvesternacht, wenn am Times Square im Herzen Manhattans am früheren Redaktionsgebäude der „New York Times“ sich die Kristallkugel herabsenkt, um das neue Jahr einzuläuten, übernimmt im Weltblatt ein paar Blocks weiter eine neue Generation der Sulzberger-Dynastie das Kommando – die fünfte seit Übernahme der Zeitung durch die 1896 aus Bayern emigrierte Familie. 1992 hatte Arthur Ochs Sulzberger, alias „Punch“, nach fast 30-jähriger Ägide die Herausgeberschaft an seinen Sohn Arthur O. Sulzberger, alias „Pinch“, übergeben – und der 66-Jährige betraut nun seinen Sohn A. G. Sulzberger (37) mit dieser Aufgabe. Der 37-Jährige hat sich seit Jahren für den Prestigejob vorbereitet: Er arbeitete als Reporter für das „Providence Journal“, den „Oregonian“, den Lokalteil der „Times“ und als Korrespondent in Kansas City.

Nach dem Verkauf des „Wall Street Journal“ an Rupert Murdoch und der „Washington Post“ durch den Graham-Clan an Amazon-Gründer Jeff Bezos ist die „New York Times“ die letzte große US-Zeitung in Familienbesitz. Dabei streckten Finanzinvestoren wie der Medienbaron Murdoch oder auch New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg ihre Finger nach dem Blatt aus, als das Medienimperium nach dem Bau eines neuen Verlagshauses an der Eight Avenue durch den italienischen Stararchitekten Renzo Piano in eine schwere Krise geriet. Der mexikanische Großinvestor Carlos Slim, einer der reichsten Männer der Welt, half den Eigentümern mit einem 250-Millionen-Dollar-Kredit aus der Patsche.

Boom durch Trump-Präsidentschaft

Nach Einrichtung einer Bezahlschranke, einer Digital-Offensive und vor allem dem Boom durch die kritische Berichterstattung über die Trump-Präsidentschaft ist die „Graue Lady“, wie sie genannt wird, wieder im Aufschwung. Neben einer Million Print-Abonnenten hat das Blatt zweieinhalb Millionen Online-Abos dazugewonnen, und neben der Aufstockung des Washington-Büros hat es die internationale Ausrichtung durch das Korrespondentennetz und die komplette Übernahme der ehemaligen „International Herald Tribune“ weiter forciert.

In seinem 96-seitigen „Innovation Report“ fordert der Neo-Herausgeber die Fokussierung auf eine Online-Strategie. Die Zeitung sei zu sehr auf das Printprodukt fixiert. Chefredakteur Dean Baquet gab nach dem Debakel bei der Trump-Wahl die Parole aus: „Wir müssen raus aus unserer New Yorker Blase.“ Donald Trump verbindet eine Hassliebe zur Zeitung, sein Ex-Chefstratege Stephen Bannon bezeichnete sie als die eigentliche Opposition. Neulich bekam sie neuen Lorbeer durch den „Dönhoff-Preis“ der „Zeit“, und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte sie in einer Laudatio als „Leuchtturm der Vernunft“. Für ihre Trump-Berichterstattung und die Enthüllung der Weinstein-Affäre winken ihr im April die begehrten Pulitzer-Preise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2017)

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