Ein Nachruf von "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak

Chorherr bei seinem letzten Besuch in der "Presse"-Redaktion (mit Rainer Nowak)
Chorherr bei seinem letzten Besuch in der "Presse"-Redaktion (mit Rainer Nowak)Die Presse
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Die Neugierde, die genaue Beobachtung, der kritische Blick und die blattmacherische Pranke waren Thomas Chorherrs Werkzeuge, die ihn in die Chefredaktion brachten und ihn dort länger als die vorher und wohl nachher hielten, schreibt "Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak über den Längstdienenden seiner Vorgänger.

Es sollte sein letzter Besuch in seiner "Presse" sein. Für einen großen Beitrag zum 170-Jahr-Jubiläum und dem dazugehörigen Geschichte-Magazin lud unser Haushistoriker Günther Haller vor wenigen Wochen die früheren Chefredakteure der Zeitung und mich zu einem Round Table unter der Moderation von Anna-Maria Wallner. Thomas Chorherr – im Rollstuhl und körperlich geschwächt – ließ es sich natürlich nicht nehmen, dabei zu sein.

Er sprach während der Diskussion über die "Presse" und die Zukunft der Zeitung nicht so viel, hörte lieber zu, seine Mimik und sein Lachen verrieten aber, dass er die kurzweilige Debatte amüsant und einigermaßen geistreich fand. Danach schrieb er noch eine Kolumne, die er vermutlich früher anders geschrieben hätte und die aufgrund einer Formulierung für breite Kritik in den sozialen Medien sorgte. Nicht, dass er die genau beobachtete, aber dass Kritik da war, wusste er immer. Provokation war ihm nicht fremd. Langweilen sollten andere Kommentatoren und Zeitungen.

In einem Telefonat danach – er war bereits im Spital -  diskutierten wir diese Episode ebenso wie seine Enttäuschung, bei unserem internen 170-Jahr-Fest nicht dabei sein zu können. Das Gespräch endete wie so viele in den vergangenen Jahren: dem Lob für die Zeitung und unsere Arbeit und vor allem der Bitte – ich könnte schreiben: der Anweisung – unsren eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen. Es ist weder übertrieben noch die übliche Nachruf-Prosa, wenn ich schreibe: Die Zeitung und der Journalismus waren sein Leben. Nichts begeisterten ihn mehr, nichts interessierte ihn mehr. Die Neugierde, die genaue Beobachtung, der kritische Blick und die blattmacherische Pranke waren seine Werkzeuge, die ihn in die Chefredaktion brachten und ihn dort länger als die vorher und wohl nachher hielten. Im Gegensatz zu manch seiner Amtskollegen teilte er intern nicht nur Kritik aus, sondern regierte mit Lob und Anerkennung.

Round Table der (früheren) Chefredakteure unter der Moderation von Anna-Maria Wallner: Mayer, Chorherr, Nowak, Fleischhacker (v.l.n.r.)
Round Table der (früheren) Chefredakteure unter der Moderation von Anna-Maria Wallner: Mayer, Chorherr, Nowak, Fleischhacker (v.l.n.r.)Die Presse

Er war österreichischer Patriot und überzeugter Transatlantiker, ein Zeuge des Kalten Krieges aber auch des beispiellosen Aufschwungs Österreichs nach der NS-Zeit. Dass er den Wandel der Zeit, neue Moden und gesellschaftliche Veränderungen zu einem großen Teil für einen Fehler oder zumindest eine Nicht-Verbesserung hielt, erfuhr jeder Leser aus seinen Kommentaren. Ob die Auflösung klassischer Familienbilder oder das Verschwinden von Etikette und höflicher Umgangsformen: Chorherr fühlte die großen Veränderungen da draußen und stemmte sich dagegen.

Keiner weiß genau, was der Begriff „bürgerlich" wirklich bedeutet und wie man ihn in einer Stadt verkörpert, in der das jüdische Großbürgertum ermordet oder vertrieben worden war, aber Chorherr hat es wohl besser gewusst und gespürt als viele andere, die das Attribut „bürgerlich" gerne mit sich hertragen, aber weder ihren Grillparzer oder Goethe parat haben noch wissen, wie man einen Windsor-Krawattenknopf bindet. Diese teils kulturpessimistische Sicht der Welt passte so gar nicht zu den zentralen Wesensmerkmalen Chorherrs: dem Humor, der Fröhlichkeit, dem Charme und einem unglaublichen Optimismus. Der sorgte dafür, dass er im Krankenbett schon über seine nächsten Texte nachdachte.

Wir machen das nun für ihn weiter. Und den Weg der "Presse" verlassen wir nicht.  

Sein Leben

Thomas Chorherr wurde am 27. November 1932 als Sohn des Kaufmanns Otto Chorherr in Wien geboren.

Chorherr studierte Rechtswissenschaften und arbeitete in den ersten Nachkriegsjahren als Lokaljournalist für das Drei-Parteien-Blatt "Neues Österreich". Er verbrachte ein Studienjahr in den USA und war einige Jahre als Redakteur für die Presseabteilung der "US-Mission for Economic Cooperation" tätig. Später arbeitete er als außenpolitischer Journalist für die Wochenzeitung "Weltpresse".

Ab 1955 arbeitete Chorherr für "Die Presse" und stieg 1970 zu deren innenpolitischem Ressortchef auf. Später wurde er zuerst stellvertretender Chefredakteur und schließlich 1976 Chefredakteur. 1995 wechselte er in die Funktion des Herausgebers (bis 2000).

Jahrelang diente er "Der Presse" als Kolumnist in Form der Gastkolumne "Merk’s Wien".

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