Skinheads bei FPÖ: "Heinrich Strache" statt "Heil Hitler!"

Skinheads bei FPÖ-Veranstaltung: ''Heilig Strache!''
Skinheads bei FPÖ-Veranstaltung: ''Heilig Strache!''Symbolfoto (c) AP (Jan Bauer)
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In der Affäre um angeblich zu einer FPÖ-Veranstaltung bestellte Neonazis geht der ORF in die Offensive. Er zeigte die umstrittenen Aufnahmen. "Heinrich Strache", ist zu hören, aber kein "Heil Hitler!".

Am Donnerstag zeigte der ORF vor Journalisten jene inkriminierten Passagen einer geplanten "Am Schauplatz"-Reportage, wegen derer die Freiheitlichen Anzeige gegen den ORF-Redakteur Eduard Moschitz erstattet hatte. Neonazistische Parolen sind darauf nicht zu hören.

"Die Kamera gehört zu uns"

Zu sehen ist auf dem Band der Schluss einer FPÖ-Parteiveranstaltung vom vergangenen Freitag in Wiener Neustadt, wo Strache zunächst Autogramme gibt und sich bereitwillig mit Fans fotografieren lässt. Dann stößt er er auf jene zwei kahlrasierten jungen Männer, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit Wochen vom "Schauplatz"-Team mit der Kamera für eine Reportage und Milieustudie begleitet wurden und auch beim Besuch der FPÖ-Parteiveranstaltung gefilmt worden sind.

Zwischen den beiden eher derangiert wirkenden jungen Männern und dem FPÖ-Chef entspinnt sich dabei ein kurzer Dialog, in dem Strache unter anderem abzuklären versucht, wer denn ein mögliches Foto machen soll. Die beiden geben an, keinen Fotoapparat zu haben. Einer der beiden deutet aber auf die ORF-Kamera und sagt: "Die Kamera gehört zu uns." Strache gibt daraufhin ein Autogramm und geht zunächst zu anderen Anhängern weiter, bevor er die Polizei holen lässt und von einer "Agent Provocateur-Geschichte" spricht.

"H. E.? Aah! Heinrich Strache!"

Dass - wie von der FPÖ später in einer Aussendung behauptet - auf Aufforderung des Redakteurs einer der Burschen "Sieg Heil" gerufen habe, ließ sich anhand der vom ORF gezeigten Aufnahmen, bei denen es sich um eine Kopie des von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Originalbandes handelt, nicht belegen. Lediglich ein ähnlich klingender Satz eines Burschen legt nahe, dass es sich bei dem angeblichen "Sieg Heil" um eine akustische Verwechslung handeln könnte: Dabei liest einer der beiden von der eben von Strache unterschriebenen Autogrammkarte ab und sagt in normaler Redelautstärke vor sich hin: "Wos stehtn do? 'H. E.' (korrekt wiedergegeben, Anmerkung) Strache. Aah! 'Heinrich Strache'. 'H. E. - Abkürzung."

Auch die von der FPÖ als Aufforderungen interpretierten Dialoge des ORF-Redakteurs mit den beiden Burschen waren auf den unveränderten Rohaufnahmen zu hören: An einer Stelle sagt Moschitz etwa: "Jetzt könnt's alles zum Herrn Strache sagen, was ihr sagen wollts'". Als dieser sich wieder entfernt, fragt er die beiden Skinheads um ihre Meinung zu dem Politiker, wobei er die Worte gebraucht: "Und? Was sagt's ihr zu ihm?" Die Antwort: "... I geh auf a Bier."

Wobei Moschitz betonte, dass den Äußerungen der Wunsch der beiden Arbeitslosen vorausging, einmal mit Strache zu reden, woran er sie bei der Gelegenheit offenbar erinnern wollte. Vom ORF-Team begleitet wurden im übrigen nur zwei Burschen, an Ort und Stelle habe sich ein Minderjähriger zu ihnen gesellt, der aber nicht Teil der Reportage ist, so der ORF.

Noch kein Ausstrahlungstermin

Moschitz habe die zwei Burschen wochenlang für eine "Am Schauplatz"-Milieustudie über Jugendliche mit rechtsradikalem Hintergrund mit der Kamera begleitet und rund zehn Stunden Material gefilmt, erklärten erklärten Magazinchef Johannes Fischer und ORF-Kommunikationschef Pius Strobl.

Der Besuch auf der FPÖ-Veranstaltung vergangenen Freitag habe zugleich die letzten Dreh-Etappe dargestellt, sagte "Am Schauplatz"-Chef Christian Schüller. Ob die inkriminierten Passagen auch gezeigt werden, werde die Redaktion beim Schnitt entscheiden. Ein Termin für die Ausstrahlung stehe noch nicht fest, heißt es aus dem öffentlich-rechtlichen Sender auf Anfrage von "DiePresse.com".

100 Euro für Abtretung der Persönlichkeitsrechte

Die FPÖ warf dem ORF in einer Aussendung vor, die zwei Jugendlichen dafür bezahlt zu haben, als Rechtsextreme bei der FPÖ-Veranstaltung aufzutreten. Das wies Fischer vehement zurück: Gezahlt worden seien lediglich 100 Euro für Abtretung der Persönlichkeitsrechte. Das sei bei Fernsehaufnahmen rechtlich bei Protagonisten, die nicht als öffentliche Personen bekannt sind, notwendig und ein standardmäßiger Vorgang. sei.

"Dazu gibt es beim ORF ein Formular", so Fischer. Darüber hinausgehende Einladungen auf "Mineralwasser oder Kaffee" seien bei Sozialreportagen, die meist mit Menschen gedreht werden, deren finanzielle Möglichkeiten äußerst bescheiden sind, durchaus angemessen. "Selbstverständlich wird der Redakteur die Leute, mit denen er dreht, mit seinem Privatgeld auf einen Kaffee oder ein Mineralwasser einladen. Das ist ein Gebot der Höflichkeit."

Kassette ohne Ton? Lautsprecher abgedreht

Auch die Vorwürfe der Freiheitlichen, der ORF hätte den Ermittlern eine Kassette ohne Ton übergeben, wies Fischer zurück: Die Originalkassette liege versiegelt bei der Staatsanwaltschaft, wo sie auf Anordnung des Gerichts angesehen werden könne. Bei der Überspielung einer Kopie, die beim ORF verblieb, sei der Lautsprecher abgedreht worden, damit die beiden anwesenden Beamten nicht mithören konnten. Der rechtliche Hintergrund: So lange das Gericht die Ansicht der Kassette nicht ausdrücklich anordnet, fällt der Inhalt unter das Redaktionsgeheimnis des ORF.

Grundgedanke der Sendung war es, eine Milieustudie über rechtsradikale Jugendliche zu drehen und zu erforschen "wie man ein Neonazi wird", sagte "Am Schauplatz"-Chef Schüller. Die Dreharbeiten hätten das Ziel gehabt, "ein möglichst nuanciertes Bild von der Personengruppe zu bekommen". Beide Protagonisten hätten dabei immer wieder von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache geschwärmt. Im Zuge eines Gesprächs wurde gefragt, "wollt ihr den Strache sehen". Gemeinsam habe man daraufhin vereinbart, die Burschen zu der Veranstaltung zu begleiten, wobei man sie der Einfachheit halber und den üblichen Gepflogenheiten bei Reportagen folgend im Dreh-Bus mitgenommen habe.

Vorwürfe und rechtliche Schritte

Die FPÖ erneuerte unterdessen ihre Vorwürfe in Richtung ORF. Generalsekretär Herbert Kickl ortete in einer Aussendung "blanke Panik" am Küniglberg und bezeichnete es als "Faktum", dass der ORF versucht habe, die FPÖ "mit bezahlten Neonazis zu diffamieren". Harald Vilimsky forderte wegen der Zahlung von 100 Euro gar den sofortigen Rücktritt von ORF-Kommunkationschef Strobl. Parteichef Strache will am Freitag in einer Pressekonferenz eigene Beweise vorlegen. Gegen die öffentlich erhobenen Vorwürfe der Freiheitlichen wiederum behält sich der ORF rechtliche Schritte vor.

(APA)

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