40 Jahre "taz": Links und digital statt links und radikal

So sieht die "taz" digital aus - und hier soll auch die Zukunft liegen, zumindest wochentags.
So sieht die "taz" digital aus - und hier soll auch die Zukunft liegen, zumindest wochentags.(c) Screenshot
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Ein Blick zurück und nach vorne: Die "taz" künftig wochentags nur noch digital anzubieten und eine dicke Samstagsausgabe vorzulegen, hält Geschäftsführer Ruch für die beste Idee.

Die Titelseite der Nullnummer vor 40 Jahren widmete sich dem Ende des Bürgerkriegs in Nicaragua genau wie der Festnahme der RAF-Terroristin Astrid Proll. "Die Tageszeitung" sollte links und radikal sein, aber offenbar einer recht breite Themenauswahl Platz bieten: "Arzt zu faul, Baby tot" lautete eine der Schlagzeilen, "Bald gibt's keine Hebammen mehr" oder auch "Warum wir Beethoven lieben". Von den Mitarbeitern der Redaktion, die damals anfingen, in einem Berliner Betonklotz eine tägliche Zeitung zu produzieren, hatten die wenigsten viel Ahnung von Journalismus. 

Die erste Ausgabe am 27. September 1978 enthielt einen Aufruf, das Projekt zu unterstützen. Sie sollte erscheinen, sobald sich 20.000 Abonnenten gefunden haben. Das habe allerdings nicht geklappt, sagt "taz"-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch. Als die Zeitung ab April 1979 regelmäßig gedruckt wurde, waren es erst 7.000. Wahrscheinlich sah keiner der unerfahrenen Mitarbeiter voraus, dass die Zeitung noch 40 Jahre später existieren würde.

Abos werden seit Jahren weniger

Statt links und radikal lautet das Motto heute eher links und digital. Georg Löwisch (44), neben Barbara Junge und Katrin Gottschalk an der Spitze der Chefredaktion, kann sich noch gut an die Zeit erinnern, als er selbst angefangen hat, für die "taz" zu schreiben. Das war 1997. Damals erschien sie noch in Schwarz-Weiß, es gab noch keine Online-Ausgabe, noch kein ePaper, noch nicht die umfangreiche "taz am Wochenende". Seitdem stehen die Zeichen auf Diversifikation.

Und Karl-Heinz "Kalle" Ruch, studierter Volkswirt, "taz"-ler von Anfang an, kann sich problemlos vorstellen, dass die Zeitung montags bis freitags nicht mehr gedruckt erscheint. Ruch zeigt auf die Kurve der Zahlen für die Abos während der Woche - sie geht seit Jahren nach unten. Die Kosten für den Vertrieb steigen. Irgendwann ist er nicht mehr zu bezahlen. Aber wann? Der Geschäftsführer hat sich in seinem "Szenario 2022" auf bald festgelegt. Schon 2011 hatte er vorhergesagt, die gedruckte tägliche "taz" werde es zehn Jahre später nicht mehr geben. "Der Trend ist nicht aufhaltbar", sagt er heute.

Nur noch am Samstag gedruckt?

Die "taz" künftig während der Woche nur noch digital anzubieten und eine dicke Samstagsausgabe vorzulegen, hält er für die beste Idee. Ruch geht davon aus, dass das wirtschaftlich funktioniert, wenn gleichzeitig die Einnahmen durch das Abo für die Wochenend-"taz", durch die App und die ePaper-Ausgabe und durch "taz-zahl-ich", die freiwilligen Beiträge für "taz.de", entsprechend steigen. Bei der Genossenschaftsversammlung Mitte September gab es für das "Szenario 2022" und die Perspektive, auf die Papier-"taz" verzichten zu müssen, allerdings nicht nur Beifall.

"Wir haben überhaupt kein fixes Datum", sagt Georg Löwisch. "Vielleicht gibt es die gedruckte 'taz' am Werktag länger als gedacht." Aber viel spricht dafür, dass für die "taz" bald deutlich weniger Bäume gefällt werden müssen. Kalle Ruch liest Zeitung schon lange am liebsten digital.

Und was ist noch übrig, von dem Anspruch, eine linke und radikale Zeitung zu machen? "Bei uns hat Links so viele Perspektiven wie nirgendwo sonst", sagt Löwisch. "Jetzt rutscht die Republik nach rechts, und es wird vieles von rechts diskutiert, häufig auch mit einem scheppernden und beklemmenden Sound. Und dagegen setzen wir eine linke Buntheit und Lebendigkeit."

(APA/dpa)

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