Typisch Österreich: Boulevard und Qualität bei den Medientagen

Christian Rainer, Rainer Nowak, Florian Scheuba (hier groß auf der Leinwand), Kai Diekmann und Wolfgang Fellner (v. li.) auf der Couch der Medientage.
Christian Rainer, Rainer Nowak, Florian Scheuba (hier groß auf der Leinwand), Kai Diekmann und Wolfgang Fellner (v. li.) auf der Couch der Medientage. Hans Punz
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Ein Gefecht vor allem zwischen Moderator Florian Scheuba und Wolfgang Fellner wurde das als Duell zwischen Boulevard und Qualität angekündigte Panel auf den 25. Medientagen. Amüsant war das allemal.

Tag zwei des Klassentreffens der österreichischen Medienbranche begann mit einer Mediationsstunde und hohem Unterhaltungsfaktor. Florian Scheuba, im Hauptberuf Kabarettist und Kolumnist des "Standard", sollte "das große Duell" zwischen "Boulevard und Qualität" moderieren und teilte gleich zu Beginn in (fast) alle Richtungen aus. "Profil"-Chef Christian Rainer und "Presse"-Chef Rainer Nowak seien, nur falls irgendwer zweifle, sehr wohl zwei, nicht eine Person. Man würde sie nur so leicht verwechseln, weil sie die eitelsten Medienmacher des Landes seien. 

Bei Kai Diekmann, dem ehemaligen "Bild"-Chefredakteur, der jetzt das Start-up Storymachine führt, fiel ihm offenbar keine Pointe ein, dafür bekam Wolfgang Fellner, der Gründer und Chef der Gratiszeitung "Österreich", eine doppelte. Er sei quasi die österreichische Parodie auf Diekmann. Oder eigentlich: "Österreichs paradoxe Intervention des Boulevard: Gratis und trotzdem käuflich". Langes, lautes Lachen im Publikum.

Rainer (Christian, li.)  und Rainer (Nowak, re.) sind nicht eine, sondern zwei Personen, witzelte Florian Scheuba zu Beginn.
Rainer (Christian, li.) und Rainer (Nowak, re.) sind nicht eine, sondern zwei Personen, witzelte Florian Scheuba zu Beginn. Hans Punz

Fellners Retourkutsche kam spät, aber sie kam: Scheuba sei ja Kabarettist und nicht Journalist, "also recherchebefreit", warf er ihm vor. So ging das noch eine Weile hin und her, und man verstand, worauf Scheuba hinaus wollte, war ihm teilweise dankbar, dass er dem "Österreich"-Herausgeber Paroli bot, der zwischendurch gar schwärmte, seine Zeitung habe im internationalen Vergleich eine hohe Qualität. Was Scheuba in seiner Sonderrolle als Kabarettist tatsächlich besser kann als ein, sagen wir: "normaler" Moderator, der unparteiisch bleiben sollte. 

Nun gut, Kai Diekmann, der Gast aus Berlin, hatte zuerst noch gedacht, es handle sich hier um den berühmten "österreichischen Schmäh", irgendwann wurde ihm klar, dass die bissig-lustigen Wortgefechte zwischen den vier Österreichern sehr ernst gemeint waren. Diekmann erklärte, er habe kein Problem mit kommerziellem Erfolg und wehrte sich gegen den Vorwurf, der Boulevard würde vereinfachen, manchmal auch zu Lasten der Wirklichkeit. Was eine gute Boulevardzeitung können müsse, sei "die Leser süchtig machen", so dass sie sich jeden Tag wieder eine Zeitung am Kiosk kaufen.

Wolfgang Fellner (re.) sei Österreichs Parodie auf den deutschen Boulevard, so wie ihn Kai Diekmann als "Bild"-Chef gemacht hat. Sagte Moderator Florian Scheuba.
Wolfgang Fellner (re.) sei Österreichs Parodie auf den deutschen Boulevard, so wie ihn Kai Diekmann als "Bild"-Chef gemacht hat. Sagte Moderator Florian Scheuba. Hans Punz

Offenbar hatte Diekmann an diesem Tag "Die Presse" besonders genau gelesen und warf ihr Langatmigkeit vor. Er fragte das Publikum, wer den "wirklich klugen" Aufmachertext über die italienische (Europa)Politik bis zum Schluss gelesen habe. Wenige Hände in der Höhe. "Man musste dafür auch wirklich ein besonderer Freund der italienischen Finanz- und Innenpolitik sein, um die Geschichte bis zu Ende zu lesen." Rainer Nowak konterte: "Danke für die Live-Blattkritik. Aber stimmt, wir sind schlechter im Verkaufen als der Boulevard." Christian Rainer sprang ihm bei: "Es ist sicherlich leichter, den gestrigen ,Bild'-Aufmacher zu lesen. Da ging es ums Wetter."

Fellner zeigte zuerst - sichtlich noch "ang'speist" von der Vorstellungsrunde, wie der Wiener sagen würde -, dass er offenbar vergessen hatte, worum es heute gehen sollte. "Es sei immer dieselbe depperte Diskussion über Boulevard und Qualität." Ähmja, genau, wie angekündigt. Dann teilte auch er aus: "Bei aller Wertschätzung für Rainer Nowak, aber wenn man ,Die Presse' mit der ,New York Times' vergleicht, dann ist ,Die Presse' Mickey Mouse. Den Vergleich des ,Spiegel' mit dem ,Profil' will ich dem Christian Rainer auch lieber ersparen."

Fellners falsche Inseraten-Rechnung

Zur Halbzeit schließlich erinnerte Diekmann alle Anwesenden an den wesentlichen Unterschied zwischen Deutschland und Österreich: "Das Phänomen der Regierungsanzeigen gibt es bei uns nicht. Und ich halte es auch für ein nicht ganz geglücktes Instrument." Ein höflicher Gast. Das Thema gefiel Wolfgang Fellner, also begann er vom "perversen Land Österreich" zu sprechen, um dann vor allem die Werbeabgabe zu beklagen, die er, im "Österreich"-Jargon bleibend, eine "Strafsteuer" nannte. Die Medien würden "raubrittermäßig von der Regierung besteuert, sie zieht fünf Prozent jedes Zeitungserlöses wie ein Vampir ab". Vollmundig erklärte er: "Wir verzichten dankend auf Inserate, ich als Allererster, ich kriege eh am wenigsten." Er bat alle Gäste, im Anschluss ein "Österreich" zur Hand zu nehmen: "Von heute 27 Inseraten ist kein einziges aus öffentlicher Hand dabei." Auf Twitter wurde rasch nachgerechnet (Danke für die Mithilfe). In Wahrheit fanden sich in der Donnerstagsausgabe von "Österreich" eine ganze, eine halbe und eine viertel Seite der Stadt Wien und eine viertel Seite Inserat des Bundesheers, der Streifen der Volkshochschulen Wien noch gar nicht mitgerechnet.

Zum Abschluss wollte Scheuba von der Runde noch ein Statement zum Aufreger der Stunde, dem E-Mail des Innenministeriums über den Umgang mit einigen "kritischen Medien" haben. Die verurteilten alle, inklusive Fellner. Er betonte allerdings, dass das auch schon in den 90er Jahren "immer so war" und beklagte: "Das Innenministerium steckt immer nur der 'Kronen Zeitung' Geschichten und bekommt im Gegenzug positive Berichterstattung. Dass das jetzt festgeschrieben ist, ist der Blödheit der FPÖ zuzuschreiben." Auch Kai Diekmann erinnerte sich daran, als die rot-grüne deutsche Bundesregierung zu einem Boykott der "Bild" aufgerufen hatte und wie schön es gewesen sei, "zu sehen, wie uns alle anderen verteidigen mussten".

Einig waren sich die Diskutanten nur darin, dass Boulevard und Qualität keinen Widerspruch darstellen müssen. Unterscheidungskriterium sei eher das Niveau und der Faktencheck, meinte Christian Rainer. "Und ob Interviews echt sind". Wieder großer Lacher im Saal. Weil alle wissen, dass er auf die gefälschten Interviews in "Österreich" anspielt. Kai Diekmann hatte das Schlusswort. Er werde ab jetzt nur mehr an österreichischen Diskussionen teilnehmen, "weil die sind viel lustiger als alles, was ich in Deutschland erlebt habe." Ja, ein höflicher Gast.

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