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Gustav Kuhn in der "ZiB 2": "Alles erfunden"

Gustav Kuhn am Montagabend in der "ZiB 2".
Gustav Kuhn am Montagabend in der "ZiB 2". Screenshot
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Der suspendierte Leiter der Festspiele Erl nahm am Montag in der "ZiB 2" erstmals zu den vielen Vorwürfen gegen ihn Stellung. Das Interview war entlarvend, außerdem hatte Kuhn so etwas wie ein Teil-Geständnis parat.

Man hätte zu gerne gelauscht bei dem Gespräch zwischen Gustav Kuhn und seinem Anwalt. Hat der Jurist seinem Mandanten zu- oder abgeraten, in die Öffentlichkeit zu gehen? Und wie hat er ihn auf den Auftritt vorbereitet? Seit  Jahresbeginn häufen sich massive Vorwürfe von verschiedenen Seiten gegen den mittlerweile beurlaubten Leiter der Festspiele Erl: Mehrere Künstlerinnen werfen ihm sexuelle Übergriffe vor, mehrere ehemalige Mitarbeiter einen aggressiven, untergriffigen Führungsstil (insgesamt sind das 19 Personen), zudem sind gut 100 Anzeigen gegen die Festspiele in arbeitsrechtlichen Belangen anhängig, zuletzt tauchten auch noch Ungereimtheiten mit Zahlungen an die künstlerische Akademie des Maestros in Italien auf.

Und doch nahm Gustav Kuhn am Montag ziemlich entspannt im "Zeit im Bild"-Studio bei Armin Wolf Platz, um erstmals öffentlich seine Sicht der Dinge zu erläutern, weil er "müde der Anschuldigungen, die nicht stimmen" sei. Kuhn erklärte in zwölf sehr langen Interviewminuten, sämtliche Frauen, die ihm sexuelle Übergriffe vorwerfen, hätten "alles erfunden" - und sinnierte dann im selben Atemzug über das für ihn eigentliche Problem: Dass sich so schwer sagen ließe, was denn ein sexueller Übergriff ist. "Es kann ja schon sein, wenn man eine Sängerin bittet, jetzt gehen wir auf einen Kaffee, dass sich dann ein Missverständnis ergibt." Armin Wolf ließ Kuhn seine dezent wirren Gedanken nicht zu Ende führen und zählte stattdessen auf, was die Künstlerinnen unter sexuellen Übergriffen verstehen, die sie Kuhn vorwerfen: "Permanente unerwünschte Küsse auf den Mund und die Brust, Begrapschen unter dem Pullover, Griffe zwischen die Beine. Das haben Sie nie gemacht?" Und dann machte Kuhn die erste von drei bemerkenswerten Aussagen: "Ich habe schon einer Frau unter den Pullover gegriffen, aber nicht diesen Frauen, die das plötzlich erfinden."

Schade, dass Wolf hier nicht nachfasste, wie Kuhn das genau meinte (anderen Frauen mit oder ohne Einverständnis?), aber es gab wohl zu viele andere wichtige Fragen. Zum Beispiel: Welchen Grund hätten die Frauen, die Vorwürfe zu erfinden? Antwort Kuhn: "Weil sie tief gekränkt sind, weil sie die Rolle nicht bekommen haben. Es gibt viele Möglichkeiten, warum eine Frau etwas erfindet, was nicht stimmt. Das passiert ja immer wieder leider." Eine interessante Antwort, die einiges über Kuhns Frauenbild (mehr schreibt dazu Anne-Catherine Simon hier). Weiter sagte er, dass diese Frauen von diversen Institutionen "bearbeitet" worden wären, öffentlich gegen ihn und die Festspiele auszusagen. Und dann sprach er einen Satz, der wie ein Teilgeständnis klang: "Ich möchte sagen: Wenn ich daneben gegriffen habe, wenn ich sexuell übergriffig wurde, dafür entschuldige ich mich hundert und tausend Mal, aber nicht bei jemandem, der seine Lieblingsrolle bekommt und Dinge erfindet."

"... und da kann man ihn als Arschloch beschimpfen?"

Und noch ein Geständnis machte Kuhn: Die Vorwürfe der fünf Männer, die schon im Mai in einem offenen Brief berichtet hatten, der Festspielchef habe sie regelmäßig als "Arschlöcher, Volltrottel und Schwänze” beschimpft, seien nicht falsch. Nur sei keiner von denen damals schon Philharmoniker gewesen. "Das ist er (also einer von ihnen, Anm.) jetzt, damals war er 23 Jahre alt..." Armin Wolf unterbrach den Gast ein letztes Mal: "...und da kann man ihn als Arschloch beschimpfen?" Nein, das nicht, so Kuhn, aber wenn eine Horn-Gruppe etwa nichts zustande bringe, dann könne man als Dirigent schon mal ausfällig werden. Vor 30 Jahren habe er noch gebrüllt, heute sei er viel gezügelter.

Das Interview vom Montagabend sorgte durchaus für Kritik. Dem ORF wurde vorgeworfen, Kuhn (nach einem langen Bericht davor) überhaupt eine Bühne geboten zu haben. Armin Wolf selbst argumentierte in einem Blogbeitrag, dass für Kuhn die Unschuldsvermutung gelte und er ein Recht habe, angehört zu werden. "Nicht nur beim Staatsanwalt, sondern auch in der Öffentlichkeit, in der er beschuldigt wird. Mein Job war es, ihn – so gut wie möglich vorbereitet – mit den Vorwürfen zu konfrontieren."

Post Skriptum: Zum Schluss des Interviews wollte Wolf von Kuhn wissen, wieso er, obwohl suspendiert, mehrere Aufführungen der Erler Winterspiele dirigieren werde. So stehe es zumindest auf der Webseite der Festspiele. Kuhn: "Da muss ich den Webseitenmann rügen, dass er das drauf hat." Die Antwort mag ein Zufall sein oder aber ein Sittenbild für Kuhns Umgang mit Mitarbeitern. Nach dem Motto: Ein bisschen rügen muss doch erlaubt sein.

>> Das Interview mit Gustav Kuhn in der TVthek

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