Feel-Good für die Red-Bull-Medienmacht

Ein Heft, das „zur Selbstermächtigung inspirieren“ möchte.
Ein Heft, das „zur Selbstermächtigung inspirieren“ möchte.(c) Carpe Diem
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Das neue Magazin „Carpe Diem“ flutet die Leserin geradezu mit positiven Inhalten – und reiht sich nahtlos in die Red-Bull-Welt ein, in der Dietrich Mateschitz – ganz ohne öffentliches Aufsehen – ein Medienimperium geschaffen hat.

Wer gründet heute noch ein neues Printmagazin? In Zeiten, in denen alles nach digitalem Content, Bewegtbild und Inhalten strebt, die man an die junge, wenig leseaffine Zielgruppe bringen kann? Dietrich Mateschitz hat's getan: Im Juni erschien in seinem Getränke-Sport-und-Medien-Imperium die erste Ausgabe von „Carpe Diem“ – einem Feel-Good-Magazin für die Generation Work-Life-Balance. Die zweite Ausgabe ist für 8. August angekündigt. Das Heft suggeriert allein haptisch ein gutes Gewissen: leicht raues (Recycling?)Papier, nicht einmal das Cover ist Hochglanz (und wirkt dennoch hochwertig).

Wer hineinliest, der wird mit positiven, zu einem gesunden Lebensstil motivierenden Inhalten geradezu geflutet: Es geht u. a. ums Lachen („Es befreit, berauscht, erfrischt, stärkt und heilt uns“), Waldspaziergänge, gesunde Rezepte (Pomelo-Fenchel-Salat fürs Büro) und Rubriken wie „Fragen, die das Leben stellt“ (z. B. „Wie setze ich mich richtig hin?“). Es ist eine urbane, gesundheitsbewusste und vor allem weibliche Zielgruppe, die hier angesprochen wird – mit Texten, die mitunter klingen wie Kalendersprüche: „Wir alle haben zwei Leben. Das zweite beginnt in dem Moment, in dem wir erkennen, dass wir nur eines haben.“

Partnerschaft mit der Uniqa. In einem Editorial, das nicht von den Chefredakteurinnen (Sylvia Steinitz oder ihrer Stellvertreterin, Nicole Kolisch), sondern mit „carpe diem“ unterzeichnet ist, wird der Zugang erklärt: Man wolle „weniger anleiten (schon gar nicht zur Selbstoptimierung), sondern vielmehr inspirieren (am liebsten zur Selbstermächtigung)“, heißt es da. Deshalb bleibe „carpe diem“ (übersetzt: „Nutze bzw. pflücke den Tag!“) auch „der einzige Imperativ“ im Heft.

Ausgerechnet der Red-Bull-Konzern, der für Extremsport, schnelle Motoren und Energydrinks steht, setzt mit diesem Produkt also auf körperliche Gesundheit und seelisches Wohlbefinden. Einerseits trifft man damit einen gesellschaftlichen Trend. Andererseits haben das Red Bull Media House und die Uniqa-Versicherung im Mai eine Content-Kooperation zum Thema „Gesundheit und Vorsorge“ gestartet – „mit dem Ziel, gemeinsam möglichst viele Menschen zu einer gesundheitsbewussten Lebensgestaltung zu inspirieren“, wie es in einer Aussendung dazu hieß. Teil der Partnerschaft, für die u. a. gemeinsam Dossiers, Blogs, Videos, Facebook-Posts und Instagram-Storys erarbeitet werden, ist, dass es „Carpe Diem“ nicht nur zu kaufen gibt, sondern dass das Heft zusätzlich von der Uniqa in einer Auflage von 150.000 Stück distribuiert wird.

Zweitgrößtes Medienhaus. Im Mai feierte Mateschitz seinen 75. Geburtstag. Die breite Öffentlichkeit kennt ihn für das Dosengetränk, sein Fußball-Engagement und den Formel-1-Rennstall. Dass der umtriebige Unternehmer mit Marken wie Servus (TV-Sender und Magazin), Addendum, „Bergwelten“, „Red Bulletin“, Terra Mater (Studios und Magazin) oder Red Bull TV (einem der größten österreichischen YouTube-Kanäle) das nach Umsätzen zweitgrößte Medienunternehmen Österreichs aufgebaut hat, ist hingegen weniger im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Laut Website des Unternehmens erreichen allein die Red-Bull-Magazine international eine Druckauflage von 26 Millionen Exemplaren. Das Red-Bull-Medienimperium, das mit dem Kauf des (mittlerweile eingestellten) „Seitenblicke“-Magazins 2005 seinen Anfang nahm, ist inhaltlich breit aufgestellt und bietet neben Aufregung für Motor- und Extremsport-Fans auch Heimatgefühl und beruhigenden Eskapismus.

Auf allen Kanälen. „Carpe Diem“ reiht sich also nahtlos in die Red-Bull-Welt ein. Und das multimedial – nicht nur in Print, sondern auch mobil, online und in sozialen Medien, mit Newsletter und Podcasts. Nach dem Motto: „Carpe Diem ist immer da, immer nah.“

Mateschitz kann die Muskeln spielen lassen. Er tat dies gegenüber den eigenen Mitarbeitern, als er 2016 überraschend das Aus von Servus-TV ankündigte – und die Drohung einen Tag später zurücknahm. Vorher hatte ihm die Belegschaft schriftlich zugesichert, dass kein Betriebsrat gegründet werde. Mittlerweile hat Servus-TV sein Angebot ausgebaut und ist ein, wenn auch kleiner, Player auf dem Fernseh-Info-Markt. Die Rechercheplattform Addendum hat Mateschitz gegründet, weil er Österreich eine „Meinungsdiktatur“ attestierte, in der „sich niemand mehr die Wahrheit zu sagen traut“. Bei Addendum können Whistleblower Infos auf der Website hochladen, seit Dezember gibt's das Produkt auch in Print. Noch ist es nicht so weit, wie Ex-Vizekanzler H.-C. Strache im Ibiza-Video fantasierte: Er sprach über eine teilweise Privatisierung des ORF zugunsten von Mateschitz. Aber unterschätzen sollte man den Roten Bullen nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2019)

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