Wenn sich Journalisten selbst kritisieren

Knobbe, Föderl-Schmid, Nowak, Neverla, Thurnher
Knobbe, Föderl-Schmid, Nowak, Neverla, Thurnher(c) Daniel Novotny
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Wie frei sind die Medien? Und wie sicher ist die Selbstkontrolle? Darüber wurde im Alpbacher Congress Centrum debattiert.

Treffen sich vier Journalisten in Alpbach. Fragt der eine den einen, der es wissen muss, was denn auf dem unveröffentlichten Teil des Ibiza-Videos zu sehen war. Sagt der: „Ach, viel Gossip, Wiederholungen, banales Zeug.“ Sagen die anderen: „Das ist wahnsinnig gemein! Immer diese Cliffhanger!“

Ja, so sind sie, die Journalisten und so sollen sie auch sein. Denn Neugier ist im Medienbereich eine Tugend, da waren sich alle Teilnehmer des Podiumsgesprächs „Wer kontrolliert die vierte Gewalt im Staat?“ am Mittwoch einig. Und auch darin, dass Journalismus entscheiden muss, was relevant für die Öffentlichkeit ist und was eben nur „Gossip“.
„Spiegel“-Berlin-Chef Martin Knobbe, Israel-Korrespondentin Alexandra Förderl-Schmid („Süddeutsche“), „Falter“-Chefredakteur Armin Thurnher und Medienwissenschaftlerin Irene Neverla diskutierten mit „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak über Selbstkontrolle, Selbstzensur und die Zukunft des Journalismus.

Aber auch mit Anekdoten sparten sie nicht. Föderl-Schmid erzählte etwa, dass österreichische Konzerne ihre Bilanzen lieber bei Pressekonferenzen in Urlaubsorten präsentierten anstatt in Wien. Oder von üppigen Geschenken, die irgendwann immer öfter an die Absender zurückgingen. Denn heute sei das Bewusstsein für Compliance deutlich höher.

Verhaberung und Trolle

Die Gefahren für die Unabhängigkeit und Qualität des Journalismus sind dennoch nicht weniger geworden. Da wären einerseits die österreichischen Klassiker wie „Verhaberung“ mit der Politik oder das Amtsgeheimnis. Andererseits wirft das Internet viele Fragen auf. Als ein Zuschauer fragte, ob sich die Journalisten zutrauen, technisch mit den russischen „Trollfabriken“ mithalten zu können, fielen die Antworten verhalten aus. Ein weiterer Punkt: der enorme Zeitdruck. Wer im Internet immer der Erste sein will, kann die Fakten nicht mehr ordentlich checken. Und dann gibt es da noch Google und Facebook, die zwar journalistische Inhalte verbreiten, selbst aber völlig außerhalb der Kontrolle stehen. Armin Thurnher brachte auch den „Zwang zur Selbstvermarktung“ ins Spiel, den Soziale Medien den Journalisten auferlegen würden. Junge müssten sich heute selbst zur Marke machen, sonst hätten sie keine Chance.

Ob auch das ein Grund war, dass Claas Relotius für den „Spiegel“ Reportagen erfand? Wir wissen es nicht. Was wir dagegen wissen: Gefahren lauern auch innerhalb der Redaktionen. Und nicht immer müssen es spektakuläre Betrugsfälle sein, oft mangelt es schlicht an Meinungsvielfalt: „Man liest viele ähnliche Dinge“, sagte etwa Knobbe vom „Spiegel“. Er sei daher froh, dass es rechts der Mitte zu verortende Kolumnisten wie Jan Fleischhauer gebe, denn die seien in der Minderheit. Medienwissenschaftlerin Neverla bemerkte, dass die überwiegende Mehrheit der Journalisten im rot-grünen Spektrum zu finden sei. Thurnher sagte mit einem Augenzwinkern: „Einen Haus-Nazi braucht man eigentlich“. Ab und zu bekomme selbst beim „Falter“ einer „einen Rappel“.

Und wer kontrolliert den Journalismus, die vierte Gewalt im Staat, nun? Abseits rechtlicher Themen würde Neverla diese Arbeit weiterhin den Journalisten selbst überlassen: „Sie sind Profis mit eigenen Arbeitsroutinen.“ Zu diesen sollten Transparenz zählen, eine Institution wie der Presserat und nicht zuletzt eine Diskussion auf Augenhöhe mit den Lesern.

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